Lithium-Schwefel-Akkus: Kommt jetzt der große Durchbruch?

Lange galt die Lithium-Schwefel-Technologie (Li-S) als interessante, aber wenig praxistaugliche Alternative für Elektroauto-Batterien. Nun haben jedoch mehrere Forscherteams große Fortschritte erzielt, die Marktreife scheint näher zu rücken. Grund genug, sich diese Technologie genauer anzusehen: Könnten Li-S-Akkus ein „Game-Changer“ für die Elektromobilität werden?

Theoretisch bieten Lithium-Schwefel-Akkus enorme Vorteile: eine deutlich höhere Energiedichte, geringere Kosten und nachhaltigere Materialien. Doch in der Praxis scheiterten sie bislang an einer zu kurzen Lebensdauer und technischen Instabilitäten – Faktoren, die den generellen Einsatz im Automobilsektor unmöglich machten. Bis jetzt: Nun sollen neue Materialtechnologien die Haltbarkeit deutlich verbessern und die bekannten Schwächen der Batteriechemie ausgleichen.



Lithium-Schwefel-Akkus: Aktuelle Entwicklungen

In den letzten Monaten haben verschiedene Forschungsteams bei Lithium-Schwefel-Batterien entscheidende Fortschritte erzielt, die das Potenzial haben, die Elektromobilität nachhaltig zu verändern.

  1. Steigerung der Reichweite:
    Forscher*innen aus Japan konnten mithilfe eines neuartigen Lithium-Schwefel-Akkus die Reichweite um bis zu 66 % erhöhen, ohne dass die Batterie schwerer wird. Ein E-Auto, das heute mit einer Akkuladung 300 Kilometer weit kommt, könnte also mit einer Li-S-Batterie rund 500 Kilometer schaffen.
  2. Deutlich längere Lebensdauer:
    Zwei unabhängige deutsche und chinesische Forschungsteams haben eine Li-S-Batterie entwickelt, die nach 25.000 Ladezyklen noch 80 % ihrer Kapazität behält. Möglich macht das ein fester Glas-Elektrolyt, der chemische Reaktionen stabilisiert und Materialermüdung reduziert.
  3. Höhere Energiedichte:
    Das chinesische Unternehmen General New Energy (GNE) stellte eine Li-S-Batterie mit 701,8 Wattstunden pro Kilogramm vor – fast dreimal mehr als heutige Lithium-Ionen-Akkus (230-250 Wh/kg). Das könnte Reichweiten von über 1.000 km pro Ladung ermöglichen.
  4. Schnellladefähigkeit & Stabilität:
    Forscher*innen in Südkorea entwickelten eine Li-S-Batterie, die in nur 12 Minuten vollständig lädt. Nach 1.000 Ladezyklen bleibt noch 82 % der Kapazität erhalten.

Diese Entwicklungen zeigen: Lithium-Schwefel-Batterien könnten nicht nur leistungsfähiger, sondern auch langlebiger und alltagstauglicher werden. Damit rücken sie als ernsthafte Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien in den Fokus.

Übrigens: Wie das deutsch-chinesische Beispiel zeigt, überschneiden sich die Forschungen zu Lithium-Schwefel- und Feststoffakkus. Eine etwas andere Technologie sind Natrium-Ionen-Akkus.

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Stellantis investiert in Li-S-Akku-Technologie

Die technologischen Fortschritte wecken nicht nur das Interesse der Wissenschaft, sondern auch der Automobilindustrie. Unternehmen suchen nach Wegen, die neue Batterietechnologie in die Praxis zu überführen und für den Massenmarkt nutzbar zu machen. Ein Vorreiter in diesem Bereich ist der Automobilkonzern Stellantis, der gezielt in die Entwicklung von Lithium-Schwefel-Batterien investiert. Zu Stellantis gehören Marken wie Citroën, Opel oder Peugeot.

  • Gemeinsam mit dem US-Unternehmen Zeta Energy entwickelt Stellantis leistungsstarke Li-S-Batterien, die leichter, günstiger und schneller ladbar sind als heutige Akkus. Die Massenproduktion ist ab 2030
  • Stellantis investierte zudem in Lyten, einen US-Hersteller von Li-S-Batterien ohne Nickel, Kobalt oder Mangan. Lyten will die Technologie später auch an andere „führende“ US- und EU-Autohersteller Diese sind zwar namentlich nicht bekannt, jedoch hat Chrysler bereits Interesse signalisiert.

Diese Initiativen sind Teil des ambitionierten „Dare Forward 2030“-Plans von Stellantis. Er zielt darauf ab, bis 2030 mehr als 75 batterieelektrische Fahrzeugmodelle anzubieten und weltweit pro Jahr rund 5 Millionen Elektroautos zu verkaufen.

Wie funktioniert ein Lithium-Schwefel-Akku?

Jede Batterie funktioniert nach demselben Grundprinzip: Energie wird beim Laden gespeichert und beim Entladen wieder abgegeben. Das geschieht durch chemische Reaktionen zwischen den Materialien in der Batterie.

In einer herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie wandern Lithium-Ionen beim Laden und Entladen zwischen zwei Elektroden hin und her:

  • Die Anode besteht meist aus Graphit, das die Lithium-Ionen speichert.
  • Die Kathode enthält Materialien wie Nickel, Mangan und Kobalt (NMC), die für die chemische Reaktion sorgen.

Bei einer Lithium-Schwefel-Batterie ist das anders:

  • Die Anode besteht aus Lithium, das die Elektronen liefern.
  • Die Kathode ist jedoch aus Schwefel, einem sehr leichten und günstigen Material.

Der große Vorteil? Schwefel kann viel mehr Lithium aufnehmen als herkömmliche Kathodenmaterialien. Dadurch können Li-S-Batterien theoretisch bis zu fünfmal mehr Energie speichern als heutige Lithium-Ionen-Batterien. Ein großer Vorteil auch gegenüber den (günstigeren) LFP-Akkus, die etwa 30 bis 40 Prozent weniger Energie speichern können als NMC-Akkus.

Wo liegt das Problem?

Leider gibt es einige Herausforderungen, die die Entwicklung bisher gebremst haben:

  1. Kurze Lebensdauer:
    Beim Laden und Entladen entstehen chemische Zwischenprodukte, die sich im Elektrolyt (der Flüssigkeit zwischen den Elektroden) auflösen. Das führt dazu, dass die Batterie mit jeder Nutzung ein klein wenig an Kapazität verliert. Dieses Phänomen nennt man den Polysulfid-Shuttle-Effekt.
  2. Mechanische Instabilität:
    Schwefel verändert beim Laden und Entladen sein Volumen. Stellen Sie sich das wie einen Luftballon vor, der sich aufbläht und wieder zusammenzieht – irgendwann gibt das Material nach. Das passiert auch in der Batterie und führt zu Rissen und Kapazitätsverlust.
  3. Niedrigere Ladezyklenzahl:
    Während moderne Lithium-Ionen-Batterien 1.000 bis 2.000 Ladezyklen durchhalten (also fünf bis zehn Jahre in einem Elektroauto), waren es bei frühen Li-S-Batterien oft nur 100 bis 300 Zyklen – viel zu wenig für eine alltagstaugliche Lösung.

Das Forscherteam aus Japan hat nun beispielsweise ein besonderes Schwamm-Material entwickelt, das diese Probleme lösen soll. Dieses Material hat eine offene, poröse Struktur, die sich flexibel an die Volumenveränderungen der Batterie anpassen kann – so wie ein weicher Schwamm, der sich zusammendrücken und ausdehnen kann, ohne zu brechen. Gleichzeitig verhindert es, dass sich unerwünschte Nebenprodukte (z. B. Polysulfide) im Elektrolyt lösen und so die Batterie schwächen.

Das e-Konzept-Auto von Chrysler

Chrysler hat angekündigt, in einem Konzept-E-Auto erstmals Lithium-Schwefel-Akkus des US-Batterieherstellers Lyten zu verwenden (Bild: © Lyten).

 

Welche Vorteile bieten Lithium-Schwefel-Akkus?

Die moderne Lithium-Schwefel-Technologie könnte für den Bau von E-Autos ein deutlich leichteres Akkupack bedeuten, das die gleiche nutzbare Energie wie moderne Lithium-Ionen-Batterien bietet. Das geringere Gewicht würde zum Beispiel die Reichweite erhöhen. Zudem hat die Technologie das Potenzial, die Schnellladezeit um bis zu 50 % zu verkürzen, wodurch der Komfortfaktor insgesamt steigen würde.

Ein weiterer Vorteil: Li-S-Akkus wären ideal, um mehr günstige E-Autos zu produzieren, da sie günstiger produziert werden können.

Auch Umweltaspekte sprechen für Li-S-Akkus

Ein weiteres großes Argument für Lithium-Schwefel-Batterien ist ihre bessere Umweltbilanz. Voraussetzung dafür ist aber, dass anstelle unverarbeiteten Schwefels Abfallprodukte aus der Industrie verwendet werden. Schwefel fällt zum Beispiel bei der Erdölverarbeitung an und steht so in großen Mengen und günstig zur Verfügung. Der Schwefelbergbau ist dagegen sehr giftig und würde daher die Bilanz übermäßig belasten.

Zudem verursacht die Herstellung einer Lithium-Schwefel-Batterie deutlich weniger CO₂-Emissionen als eine herkömmliche Lithium-Ionen-Batterie (laut Stellantis und Zeta Energy, konkrete Zahlen werden aber nicht genannt). Das liegt vor allem daran, dass keine energieintensiven Kathodenmaterialien wie Nickel oder Kobalt verwendet und nur inländische Lieferketten genutzt werden sollen.

Ein großer Vorteil von Lithium-Schwefel-Batterien ist auch ihre gute Recyclingfähigkeit. Schwefel kann durch einfaches Erhitzen bei 445°C zurückgewonnen werden, da er verdampft und anschließend wieder kondensiert.

Welche Herausforderungen bestehen für den Serieneinsatz?

Obwohl Lithium-Schwefel-Batterien vielversprechend sind, gibt es noch einige Hürden auf dem Weg zur Marktreife.

Herstellung und Skalierung

Die Produktion des neuen Schwamm-Materials ist noch sehr aufwendig. Sie erfordert spezielle Hochtemperaturprozesse und eine präzise Materialkontrolle, die bisher nicht für die Massenfertigung verfügbar sind.

Ein weiteres Problem: Die Produktionsanlagen der heutigen Batteriehersteller sind auf Lithium-Ionen-Technologie ausgelegt. Neue Fertigungstechniken müssten erst in die Industrie integriert werden. Erste Pilotproduktionen in Japan sind jedoch bereits geplant. Und auch der US-Hersteller Lyten ist gerade dabei, im Bundesstaat Nevada eine Gigafactory für Li-S-Akkus zu errichten. Das Investitionsvolumen liegt bei einer Milliarde US-Dollar.

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Sicherheit und Stabilität

Trotz der vielversprechenden Fortschritte gibt es noch einige technische Herausforderungen. Polysulfide, die während des Lade- und Entladevorgangs entstehen, können unerwünschte chemische Reaktionen auslösen, die zu einem schleichenden Kapazitätsverlust führen. Ein weiteres Problem betrifft die Lithium-Metall-Anode, die zur Bildung von Dendriten neigt – feinen, nadelartigen Strukturen, die Kurzschlüsse verursachen können.

Zudem ist ein effektives Thermomanagement erforderlich: Zwar erzeugen Lithium-Schwefel-Batterien weniger Wärme als herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus, dennoch brauchen auch sie ein gut durchdachtes Kühlsystem, um eine sichere Nutzung im Fahrzeug zu gewährleisten.

 

Blick in die Produktion des Lithium Schwefel Akkus

Mit dem massenhaften Einsatz von Li-S-Akkus in E-Autos ist frühestens ab 2030 zu rechnen.

 

Wann könnten Lithium-Schwefel-Akkus startklar sein?

Die Automobilindustrie verfolgt Lithium-Schwefel-Batterien mit großem Interesse, aber bis zur Markteinführung gibt es noch einige Hürden zu überwinden. Erste Pilotprojekte könnten sich daher zum Beispiel auf Nutzfahrzeuge konzentrieren. E-Transporter & Co. wären ideal für die Li-S-Technologie:

  • Die höhere Energiedichte bedeutet weniger Gewicht, was für Lastwagen, Busse und Lieferfahrzeuge besonders wichtig ist.
  • Die Ladezyklen-Anforderung ist weniger kritisch als bei Privatfahrzeugen, da Lkw-Batterien in der Regel größer sind und seltener vollständig entladen werden.

Für den E-Auto-Massenmarkt wird eine breitere Einführung jedoch frühestens ab 2030 erwartet,  wie die Initiativen von Stellantis zeigen. Der Grund: Die Batterien müssen noch deutlich langlebiger werden, bevor sie mit etablierten Lithium-Ionen-Akkus konkurrieren können.

Darüber hinaus sind Lithium-Schwefel-Batterien bereits heute auch für andere Mobilitäts- und Energiesysteme ein spannendes Konzept:

  • Die extrem hohe Energiedichte macht sie interessant für elektrische Flugtaxis und Drohnen.
  • Aufgrund der günstigeren Rohstoffkosten könnten Lithium-Schwefel-Batterien eine kosteneffiziente Speicherlösung für Solar- und Windparks
  • Mit Blick auf das niedrige Gewicht und die hohe Energiedichte ist die Technologie für Raumfahrtprojekte besonders attraktiv. So will die NASA noch 2025 Li-S-Akkus von Lyten bei einer Mission zur Internationalen Raumstation (ISS) testen.
Bild aus dem Weltall auf die Erde

Auch bei einer Mission zur Internationalen Raumstation sollen Lithium-Schwefel-Akkus noch in diesem Jahr zum Einsatz kommen.

Fazit: Li-S-Akkus: Revolution oder Nischenlösung?

Lithium-Schwefel-Batterien haben das Potenzial, die Elektromobilität grundlegend zu verändern. Der jüngste Durchbruch in der Materialforschung zeigt, dass zentrale Probleme wie geringe Lebensdauer und mechanische Instabilität immer besser gelöst werden.

Werden Lithium-Schwefel-Akkus nun die Elektromobilität revolutionieren? Kurzfristig wohl eher nicht – Lithium-Ionen-Batterien bleiben vorerst die bessere Wahl für den Massenmarkt. Aber mit weiteren Verbesserungen könnte die Lithium-Schwefel-Technologie spätestens ab 2030 eine echte Alternative werden.

 

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