In den vergangenen Jahren konnten chinesische Autobauer die globalen Verkaufszahlen kräftig ausbauen. E-Autos aus China sollen 2023 bereits 57 % der gesamten weltweiten Produktion ausmachen. Nun streben viele chinesische Unternehmen danach, auch auf den europäischen Märkten erfolgreich zu sein und machen den etablierten Herstellern gehörig Konkurrenz. Mit dem SU7 hat Xiaomi, bei uns vor allem für seine Smartphones bekannt, nun einen Porsche- und Tesla-Jäger vorgestellt.
Xiaomi: E-Autos machen Porsche und Tesla Konkurrenz
Eigentlich ist Xiaomi bekannt für seine innovativen Smartphones und Smart-Home-Geräte. Aber nun betritt der Elektronikgigant mit dem SU7 den Markt für E-Autos und macht von Anfang an klar, dass man es mit den großen Namen aufnehmen will. Schon beim ersten Blick auf den SU7 wird deutlich: Xiaomi hat sich an den Design–Ikonen Porsche Taycan und Tesla Model S orientiert. Das sportlich-elegante Erscheinungsbild des SU7, gepaart mit modernster Technologie, soll ein Fahrerlebnis auf höchstem Niveau bieten – und das zu einem deutlich günstigeren Preis als die etablierten Konkurrenten.
Xiaomi SU7: Sportwagen oder rollendes Smartphone?
Die Frage lässt sich leicht beantworten: Unter der Haube bietet der SU7 modernste Antriebstechnologie. Die Basisversion verfügt über einen Elektromotor mit 220 kW (295 PS), während die Max-Version mit zwei Motoren und einer Gesamtleistung von 495 kW (673 PS) aufwartet. Die Beschleunigung des SU7 Max von 0 auf 100 km/h in nur 2,78 Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit von 265 km/h sind beeindruckende Werte, die selbst die anspruchsvollsten Autofahrer*innen begeistern werden.
Der SU7 nutzt eine hochmoderne Batteriearchitektur mit Kapazitäten von 73,6 kWh bis 101 kWh. Dank der Cell-to-Body-Integration, bei der die Batterie ein integraler Bestandteil der Fahrzeugstruktur ist, konnte Xiaomi die Innenraumnutzung optimieren und gleichzeitig das Fahrzeuggewicht reduzieren. Die Reichweiten variieren je nach Version zwischen 668 km und 830 km (ermittelt nach dem chinesischen CLTC-Zyklus). Besonders bemerkenswert: die Schnellladefähigkeit der Max-Version, die in nur 15 Minuten bis zu 510 km Reichweite laden kann.
Der Innenraum des SU7 ist ein Paradies für Technikfans. Das 16,1-Zoll-Infotainmentsystem läuft auf Xiaomis HyperOS und wird von der Qualcomm Snapdragon Automotive Platform angetrieben. Für autonomes Fahren sind LIDAR, Radar, Kameras und Ultraschallsensoren integriert, die auch eine Vielzahl an Fahrassistenzsystemen unterstützen. Laut Hersteller wird der SU7 in China in drei Versionen auf den Markt kommen. Ein Verkaufsstart für Europa wurde noch nicht angekündigt.
Merkmal | Xiaomi SU7 | Xiaomi SU7 Pro | Xiaomi SU7 Max |
Batteriekapazität | 73,6 kWh | 94 kWh | 101 kWh |
Antrieb | Einzelmotor: 220 kW (295 PS), 400 Nm Drehmoment | Einzelmotor: 220 kW (295 PS), 400 Nm Drehmoment | Dual-Motor-System: 495 kW (673 PS), 838 Nm Drehmoment |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 5,3 Sekunden | 5,7 Sekunden | 2,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 210 km/h | 210 km/h | 265 km/h |
Reichweite (CLTC) | Bis zu 668 km | Bis zu 830 km | Bis zu 800 km |
Ladesystem | 400-Volt-Architektur | 800-Volt-Architektur | 800-Volt-Architektur |
DC-Ladedauer | 25 min (10-80 %) | 30 min (10-80 %) | 19 min (10-80 %) |
DC-Ladegeschwindigkeit | 2,1 kWh/min | 2,2 kWh/min | 3,7 kWh/min |
Preis (in China, umgerechnet)1 |
Ca. 28.000 Euro | Ca. 32.000 Euro | Ca. 39.000 Euro |
Xiaomis Pläne für den (chinesischen) E-Auto-Markt
Das Unternehmen hat die Elektro-Limousine im März 2024 auf den Markt gebracht. Bis Ende des Jahres sollen 120.000 Exemplare ausgeliefert werden (bis vor kurzem waren „nur“ 100.000 Einheiten geplant.) Auf den SU7 sollen in den folgenden drei Jahren jeweils weitere Modelle folgen. Xiaomi hat angekündigt, insgesamt 10 Milliarden US-Dollar in den nächsten zehn Jahren in die EV-Entwicklung zu investieren. Zudem ist geplant, die E-Autos in zwei Werken in China zu produzieren. Eines der Werke wurde in Beijing errichtet, während das andere im Hannan-Distrikt von Wuhan entsteht. Zusammen sollen sie eine Produktionskapazität von bis zu 300.000 Fahrzeugen pro Jahr erreichen.
Xiaomi finanziert diese Expansion größtenteils aus eigenen Mitteln und plant, durch seine Diversifikation in den Automobilsektor seine Marktposition weiter zu stärken. Der Schritt in den EV-Markt erfolgt zu einer Zeit, in der die Smartphone-Verkäufe rückläufig sind. Für Xiaomi ist es also eine Überlebensfrage, neue Einnahmequellen zu erschließen. Das mittelfristige Ziel des Technologie-Giganten: In den nächsten drei Jahren sollen insgesamt 900.000 Elektrofahrzeuge verkauft werden. Und ganz klar: Man will sich als bedeutender Player im globalen Automobilmarkt etablieren.
Die fünf Kerntechnologien von Xiaomis E-Autos
Die Elektroauto-Sparte von Xiaomi setzt auf den Ansatz, Elemente der klassischen Automobilindustrie mit moderner Unterhaltungselektronik und intelligenten Ökosystemen zu verschmelzen. Firmengründer Lei Jun ist überzeugt: Durch die Kombination von industrieller Fertigung, smarter Software und Künstlicher Intelligenz wird Xiaomi die Automobilwelt revolutionieren. Maßgeblich sind dafür fünf Technologie-Bereiche, in denen der Konzern auf eigene Forschung mit 3.4000 Ingenieur*innen und 1.000 technischen Fachleuten setzt:
- Elektromotor: Xiaomis Elektromotoren (HyperEngine V6/V6s, HyperEngine V8s) zeichnen sich durch hohe Effizienz und Leistung aus. Sie sind darauf ausgelegt, eine beeindruckende Beschleunigung und eine gleichmäßige Leistungsabgabe zu bieten.
- Batterie: Die selbst entwickelte CTB-Batterietechnologie von Xiaomi ist darauf ausgerichtet, hohe Energiedichten und lange Lebensdauern zu gewährleisten. Die Batterien bieten eine große Reichweite und unterstützen Schnellladetechnologien, um die Ladezeiten zu minimieren.
- Xiaomi Hyper Die-Casting: Mit der Hyper-Spritzguss-Technologie setzt Xiaomi auf innovative Fertigungstechniken, die eine leichtere und stärkere Fahrzeugstruktur ermöglichen. Diese Technologie verbessert die Fahrzeugstabilität und trägt zur Gesamtleistung und Sicherheit des Autos bei.
- Xiaomi Pilot: Das Fahrsystem von Xiaomi nutzt fortschrittliche Sensoren und Algorithmen, um sicheres und zuverlässiges autonomes Fahren zu ermöglichen. Dieses System unterstützt Funktionen wie Spurhalten, automatisches Einparken und selbstständige Navigation im Stadtverkehr.
- Smart Cabin: Die intelligente Kabine von Xiaomi integriert modernste Konnektivität und Unterhaltungstechnologien. Sie bietet ein umfassendes Infotainmentsystem, Sprachsteuerung und personalisierte Einstellungen, um den Komfort und die Benutzerfreundlichkeit im Fahrzeuginnenraum zu maximieren.
Viele chinesische E-Auto-Bauer streben nach Europa
Mit dem Elektro-SUV SU7 zeigt Xiaomi, dass chinesische Technologieunternehmen nicht nur im Bereich der Unterhaltungselektronik immer stärker die Nase vorn haben, sondern auch den Automobilmarkt erobern wollen (und können). Der SU7 beeindruckt durch seine leistungsstarken technischen Daten, innovativen Features und das ansprechende Design, das sich durchaus mit den etablierten Luxus-Elektrofahrzeugen messen kann. Doch Xiaomi ist nicht der einzige chinesische Hersteller, der die Automobilbranche revolutioniert.
China ist mittlerweile ein wichtiges, vielleicht sogar schon das gewichtigste Zentrum, wenn es um Innovationen im Bereich Elektroauto geht. Zahlreiche Hersteller wie BYD, NIO, MG, Geely, GWM und Xpeng haben sich in den letzten Jahren erfolgreich auf dem Markt etabliert und treiben die Elektromobilität mit großen Schritten voran. Mit welcher Kraft das vonstattengeht, lässt sich alle zwei Jahre auf der Auto Shanghai, Chinas größter Automesse, bestaunen: Die Messe bietet eine Bühne für chinesische Automobilhersteller, ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit zu demonstrieren. Und die Messe zeigt oft, dass die chinesischen E-Auto-Bauer nicht nur mit den westlichen Automobilherstellern mithalten können, sondern in vielen Bereichen führend sind.
Im Folgenden stellen wir einige der wichtigsten E-Autobauer aus China und ihre Modelle etwas genauer vor und erklären, was sie auf den europäischen Märkten vorhaben.
NIO: Akkuwechsel in fünf Minuten
2014 gegründet, brachte NIO bereits 2016 den Elektro-Sportwagen EP9 heraus. 2018 folgte der E-SUV ES8 und später der ES6. 2022 produzierte NIO bereits über 200.000 Elektroautos. Im Oktober desselben Jahres startete der Verkauf in Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Schweden. Bis 2025 sollen Standorte in 25 Ländern errichtet werden. Zudem investierte NIO in den Ausbau seiner „Power Swap Stations“ (PSS), die in nur fünf Minuten einen Batteriewechsel ermöglichen.
NIO hat seine Fahrzeugpalette um die Mittelklasse-Limousine ET5 (auch als Kombi erhältlich), den Mittelklasse-SUV EL6 und den Oberklasse-SUV ET7 erweitert. Schon Ende 2022 wurden das Coupé-SUV EC7 und der überarbeitete ES8 vorgestellt. Diese beiden Modelle werden zunächst nur in China verkauft, NIO prüft aber derzeit das Potenzial für den europäischen Markt. Zudem hat NIO-Gründer William Li auf der Auto Shanghai 2023 ein kleineres Elektroauto für Europa angekündigt.
Die neuen Submarken, Onvo und Firefly, spielen eine wichtige Rolle in der globalen Expansion von NIO. Der Onvo L60, ein direkter Konkurrent des Tesla Model Y, soll schnellstmöglich nach Europa kommen. Die ersten Einheiten werden im September 2024 in China ausgeliefert, und Anfang 2025 soll das Modell in Europa erhältlich sein. Das erste Modell der Marke Firefly wird im Laufe des Jahres 2025 folgen.
MG: Kultmarke mit chinesischen Eigentümern
MG Motor ist seit 2007 Teil des chinesischen Autoherstellers SAIC Motor. Dieser hat der früheren britischen Kultmarke neues Leben eingehaucht und die Modellpalette ganz auf Elektroautos umgestellt. Im September 2022 wurde der Kompaktwagen MG4 Electric, präsentiert. Von anderen E-Modellen wie dem Elektro-Kombi MG5 Electric, dem SUV MG Marvel R oder dem ZS EV unterscheidet sich der MG4, da er auf einer reinen Elektroplattform, der MSP („Modular Scalable Platform“), basiert. Bis 2025 soll das Sortiment auf zehn Modelle wachsen. Beim Kleinwagen MG3 Hybrid+, der seit dem Frühjahr auch in Deutschland erhältlich ist, handelt es sich nicht um einen reinen Stromer, sondern um einen Plug-In-Hybriden.
Geely: Viele bekannte Marken unter einem Dach
Der Autobauer Geely ist in Europa durch Marken wie Volvo, Lynk, Polestar und Smart vertreten. Der chinesische Konzern besitzt auch Teile von Aston Martin und hat seit 2017 Lotus in seinem Portfolio. Dementsprechend vielfältig gestalten sich die Pläne des Unternehmens. Bei Smart wagte man beispielsweise mit dem kleinen Elektro-SUV Smart #1 den kompletten Neustart. Mit dem Smart #3 ist seit einigen Monaten das nächste Modell erhältlich. Es ist etwas größer, breiter und flacher als der #1 und stellt im Grunde die Coupé-Version dar. Der Elektro-Crossover-SUV wird in fünf Ausführungen („Lines“) angeboten.
Die Geely-Marke Zeekr startete Ende 2023 in Europa, beginnend in Schweden und den Niederlanden. Die ersten Modelle sind der Zeekr 001 und das SUV Zeekr X. Polestar, eine andere Marke von Geely, basiert auf einem Joint-Venture mit dem schwedischen Tochterunternehmen Volvo. Nach der Limousine Polestar 2 und dem SUV Polestar 3 kam jüngst das SUV-Coupé Polestar 4 auf den Markt. Geplant sind ein weiteres Coupé (Polestar 5) und ein Roadster (Polestar 6), Marktstart noch ungewiss. Bislang wurden Polestars E-Autos in China gefertigt, ab 2026 soll mit dem Polestar 7 (dem vermutlichen Nachfolger des Polestar 2) das erste Modell aus einem europäischen Werk vom Band rollen. Neben den Volvo-Produktionsstätten in Schweden und Belgien ist auch das geplante neue Werk im slowakischen Kosice im Gespräch.
Great Wall Motor: Erste Schritte mit ORA und WEY
Great Wall Motor (GWM) präsentierte bereits auf dem Pariser Autosalon 2022 seine Marken ORA und WEY einem internationalen Publikum. ORA zeigte seine Elektrofahrzeuge, darunter die Modelle Funky Cat, Funky Cat GT und The Next Ora Cat. Die Premiummarke WEY stellte ihre Hybridfahrzeuge Coffee 01 und Coffee 02 vor. Das Unternehmen hat die Markteinführung in den ersten europäischen Ländern mittlerweile geschafft, wobei Frankreich und Deutschland als Hauptmärkte gelten. Bereits seit Januar 2023 ist der ORA Funky Cat in Deutschland erhältlich.
Xpeng: Expansion nach Europa startet 2023
Das chinesische Elektroauto-Start-up Xpeng, gegründet 2014, baut seit 2023 den Verkauf in Europa aus. Gegründet wurden dazu Zentren in Norwegen, den Niederlanden, Schweden und Dänemark, um die Auslieferung der in China gebauten E-Autos zu unterstützen. Seit Mai 2022 sind bereits zwei Modelle, der Kompakt-SUV G3i und die Elektrolimousine P5, in Norwegen erhältlich. In Deutschland können aktuell zwei Modelle erworben werden: die Elektro-Limousine P7 und der Elektro-SUV G9.
Fazit: Fazit: Chinesische E-Autos in Europa – Chancen & Risiken
Europa hat sich als Hauptzielmarkt für chinesische Elektroautos etabliert. So werden zum einen E-Autos westlicher Marken teilweise in China hergestellt und nach Europa exportiert. Darüber hinaus drängen immer mehr „echte“ chinesische Marken wie Aiways, BYD oder NIO in den Westen. Alle Hersteller verfolgen ambitionierte Pläne und Strategien, um auf dem europäischen Kontinent Fuß zu fassen. Es sollte nicht überraschen, wenn die Anzahl von E-Autos aus China auf deutschen Straßen weiter zunehmen wird.
Politik und Wirtschaft stehen dem Ganzen allerdings skeptisch gegenüber. Die Europäische Union plant, zusätzliche Strafzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge einzuführen, um die heimische Industrie zu schützen und auf unfaire Handelspraktiken seitens Chinas (erhebliche staatliche Subventionen führen zu künstlich niedrigen Preisen) zu reagieren. Derzeit beträgt der Zollsatz für Elektrofahrzeuge aus China 10 %, doch es wird eine Erhöhung auf 25 bis 30 % diskutiert. Diese Maßnahme ist Teil einer umfassenden Anti-Subventionsuntersuchung, die im Oktober 2023 begonnen wurde und bis November 2024 abgeschlossen sein soll.
Die geplanten Zölle sind jedoch nicht unumstritten. Während Frankreich die treibende Kraft hinter den neuen Maßnahmen ist, gibt es in Deutschland erhebliche Bedenken, da das Land mit China enge Beziehungen pflegt und ein Handelskrieg erhebliche negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben könnte. International sieht man das anders: Die USA haben unter Präsident Joe Biden die Strafzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge von bisher 25 % auf 100 % erhöht. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in Deutschland und Europa entwickeln wird.