LNG bzw. Flüssiggas – genauer: Flüssigerdgas – gilt als eine Möglichkeit, die Energieimporte zu diversifizieren. Bislang fehlen in Deutschland geeignete Terminals. Doch die ersten könnten schon Anfang nächsten Jahres ihre Arbeit aufnehmen.
Was bedeutet LNG und wie wird das Gas hergestellt?
LNG steht für „Liquefied Natural Gas“, auf Deutsch: verflüssigtes Erdgas. Um LNG herzustellen, wird natürliches Erdgas von Verunreinigungen wie Stickstoff, Schwefel und Kohlenwasserstoffen gereinigt, so dass der Methananteil schließlich bei 98 % liegt. Dann wird das Gas auf -162 °C heruntergekühlt und wechselt dadurch von einem gasförmigen in einen flüssigen Zustand. Für die Abkühlung nutzt man einen physikalischen Trick: Man presst das Gas zusammen, kühlt es ab und lässt es sich anschließend wieder ausdehnen, worauf es sich noch stärker abkühlt. Das wiederholt man einige Male.
Der Vorteil der Verflüssigung: LNG ist 600-mal stärker verdichtet als gasförmiges Erdgas. Es braucht also weniger Platz. Dadurch kann LNG in speziellen Tankschiffen transportiert werden.
In den Import-Häfen befinden sich LNG-Terminals, an denen das Erdgas durch Erwärmung wieder in einen gasförmigen Zustand gebracht („regasifiziert“) wird. Anschließend wird es in das Erdgasnetz eingespeist. LNG kann aber auch in flüssigem Zustand verwendet werden, beispielsweise als Kraftstoff für Tanker und Kreuzfahrtschiffe.
Wie umwelt- und klimafreundlich ist LNG?
Grundsätzlich handelt es sich bei LNG um Erdgas und damit um einen fossilen Brennstoff, der bei seiner Verbrennung CO2-Emissionen freisetzt. Doch im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern wie Kohle und Erdöl fallen diese bei Erdgas generell deutlich geringer und damit klimaschonender aus. Ein Problem bei LNG ist, dass die Herstellung (von der Reinigung des Rohgases bis zur Verflüssigung), die Kühlung und der Transport bis hin zur Regasifizierung an den LNG-Terminals selbst einen hohen Energiebedarf aufweisen. Dadurch fallen mehr CO2-Emissionen an als beispielsweise beim Transport über eine Erdgas-Pipeline. 2019 ermittelte eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes, dass im Vergleich zu russischem Pipeline-Gas bei LNG aus den USA die 1,5-fache Menge an Treibhausgasen entsteht. Die Emissionswerte für LNG aus Australien lagen, vor allem aufgrund des langen Transportwegs, fast doppelt so hoch (rund 90 Prozent ).
Ein weiterer Faktor in der Klimabilanz ist die Herkunft von LNG. Gefördert wird es hauptsächlich in den USA, Australien und Katar. Australisches LNG stammt zum Großteil aus Erdgas, das als Nebenprodukt beim Abbau von Kohle freigesetzt wird. In Katar wird Erdgas direkt aus dem Boden unter dem Persischen Golf gewonnen. US-amerikanische Unternehmen fördern Gas zur Herstellung von LNG vor allem mittels Frackings. Die Methode ist aber mit größeren Auswirkungen auf die Umwelt und Emissionswerten als in Katar oder Australien verbunden.
Gibt es Flüssiggasterminals in Deutschland?
In Europa gibt es 37 LNG-Terminals, 26 davon stehen in Mitgliedsstaaten der EU, zum Beispiel in Zeebrügge (Belgien), Dünkirchen (Frankreich) oder Rotterdam (Niederlande). Die Auslastung der Terminals ist seit Herbst vergangenen Jahres auf einen Rekordwert von 71 Prozent hochgeschnellt. Eine höhere Auslastung wäre möglich, wird aber durch Kapazitätsengpässe in den Exportländern begrenzt.
Deutschland verfügt bislang über kein eigenes LNG-Terminal und kann das flüssige Gas daher nicht direkt importieren. Angesichts der aktuellen politischen Situation wurden die bisher eher langsam voranschreitenden Planungen für nationale LNG-Terminals intensiviert. Konkret geht es um die beiden Anlagen im niedersächsischen Wilhelmshaven und in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein. In Wilhelmshaven soll bereits Anfang 2023 der Import von LNG starten. Dafür sollen zunächst stationäre schwimmende LNG-Terminals eingesetzt werden, bis die eigentlichen Anlagen fertig sind. Das Terminal in Brunsbüttel könnte, wenn alles glatt läuft, bis 2026 fertiggestellt werden.
Zeitgleich könnte ein drittes LNG-Terminal südwestlich von Hamburg in Betrieb gehen. Über die Anlage in Stade will auch die EnBW künftig mindestens drei Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas beziehen und damit ihr Beschaffungsportfolio weiter diversifizieren. Dazu unterzeichneten die EnBW und Hanseatic Energy Hub, der Betreiber der Anlage, jüngst eine entsprechende Absichtserklärung („Memorandum of Understanding“). Das Terminal in Stade wird eine geplante Regasifizierungskapazität von 12 Milliarden Kubikmetern pro Jahr besitzen, womit sich 10 Prozent des deutschen Gasbedarfs abdecken ließen.
Muss ich meine Heizung umstellen, wenn LNG kommt?
Durch die Einfuhr von LNG ändert sich für Verbraucher nichts. Denn nach der Regasifizierung wird LNG wie gehabt ins Erdgasnetz eingespeist. Zudem erfüllt LNG die Anforderungen an H-Gas („high calorific gas“), das ab 20230 ausschließlich im gesamten deutschen Gasnetz verwendet wird. (Hier erklären wir mehr zu den Erdgasarten.)
Entwarnung gibt es auch für alle, die ihre Heizung mit Flüssiggas betreiben. Denn dabei handelt es sich nicht um die Erdgasvariante LNG, sondern um LPG. Die Abkürzung steht für „Liquified Petroleum Gas“. Schon ein leichter Überdruck reicht aus, damit das Gemisch aus Butan und Propan bei normalen Temperaturen flüssig wird. Typisch für Heizungen mit LPG ist der große Tank, der im Garten aufgestellt oder vergraben wird. LPG stammt meist aus europäischen Erdölraffinerien, wo es als Abfallprodukt bei der Weiterverarbeitung von Erdöl oder Erdgas entsteht.
LNG-Importe als Ergänzung und Diversifikation
Bisher waren russische Erdgaslieferungen für den deutschen Energiemarkt von enormer Bedeutung. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatten die Lieferungen aus Russland einen Anteil von 55 Prozent am gesamten Gasverbrauch in Deutschland, aktuell liegt der Importanteil bei 40 Prozent . Um die Abhängigkeit zu reduzieren, wird nun die Umstellung bzw. die Diversifizierung der Gaslieferungen mithilfe von LNG forciert. Wichtige Exportländer wie die USA, aber auch Katar und Australien haben signalisiert, dass sie Europa zukünftig mit Flüssigerdgas beliefern könnten.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Nicht nur, dass neue Abhängigkeiten entstehen können, auf die politische Antworten gefunden werden müssen – die deutsche Infrastruktur ist auf eine kurzfristige Umstellung auf Flüssigerdgas auch gar nicht vorbereitet. Erste eigene LNG-Terminals, in denen das importierte Flüssigerdgas aufgewärmt und ins deutsche Gasnetz eingespeist werden könnte, sind frühestens nächstes Jahr einsatzbereit. Gleichwohl ist der Einsatz von LNG wichtig, um die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa zu erhöhen, bis die Umstellung auf erneuerbare Energien vollzogen ist.
Doch die wichtigste Nachricht lautet wohl: Für Verbraucher ändert sich zuhause nichts. Die Erdgasheizung arbeitet wie gewohnt weiter, da alle Fragen rund LNG vor allem mit dem Transport von Erdgas und der Einspeisung ins Gasnetz zu tun haben.