Die UEFA, der DFB als Gastgeber, nicht zuletzt das Organisationsteam um Philipp Lahm, den früheren Fußballstar und Weltmeister von 2014: Sie alle sprechen davon, dass die EURO 2024 die „nachhaltigste Fußball-EM aller Zeiten“ werden soll. Doch was steckt hinter dem Anspruch? Wie nachhaltig ist das Turnier wirklich? Und was kann jede*r persönlich machen, um die EURO 2024 besonders nachhaltig zu machen?
Nachhaltigkeit bei der Fußball-EM 2024: Das Konzept
Nachhaltigkeit umfasst gemäß den einschlägigen Definitionen nicht nur Umweltbelange, sondern schließt auch soziale und wirtschaftliche Fragen mit ein. Das EM-Konzept der UEFA orientiert sich an dieser Aufteilung, wobei die ökologischen Aspekte deutlich im Vordergrund stehen. Wie auch bei anderen Großveranstaltungen möchte man bei der Fußball-EM die negativen Folgen auf die Umwelt und das Klima reduzieren bzw. so gering wie möglich halten.
Doch dabei bleibt man glücklicherweise nicht stehen. Denn der Anspruch der Turnierleitung um Philipp Lahm ist es, dass die Heim-EM auch gesellschaftlich positive Auswirkungen hinterlässt. Die Rede ist von nichts geringerem als einem „völkerverbindendem Fußball-Fest“, das möglichst viele Menschen auch noch lange nach Turnierende für Sport begeistert und sie animiert, in Bewegung zu bleiben. Zudem sollen sich alle Menschen eingeladen fühlen, an der EM teilzunehmen. Daher wird nicht nur auf eine bessere Barrierefreiheit in den Stadien und auf den Fanmeilen geachtet, sondern man will generell die Inklusion stärken.
Deutlicher als früher bekennt sich die EURO 2024 zu mehr Nachhaltigkeit in wirtschaftlichen Belangen. Eine Fußball-EM ist nicht nur eines der größten Sportereignisse der Welt, sondern auch ein Milliardengeschäft. Daher sollen alle Entscheidungen und Geschäfte wirtschaftlich verantwortbar und transparent sein. Das umfasst die Einhaltung von Menschenrechten, fairen Arbeitsbedingungen und ethnischen Standards entlang der gesamten Lieferketten. Daher wurde beispielsweise eine Nachhaltigkeitsklausel in alle Ausschreibungen und Verträge aufgenommen, damit diese Standards sichergestellt werden.
Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsmaßnahmen wird seit Sommer 2023 wissenschaftlich begleitet, die ermittelten Ergebnisse sollen später als Richtschnur für andere Großveranstaltungen dienen.
EURO 2024: Ökologische Nachhaltigkeit im Fokus der EM
Ein sportliches Großereignis wie die Fußball-EM, die vier Wochen lang 51 Spiele an zehn verschiedenen Orten umfasst, führt aufgrund der Emissionen und Abfälle zu einer erheblichen Umweltbelastung, insbesondere wenn Hunderttausende von Fußballfans aus ganz Europa nach Deutschland reisen.
Darum hat das Freiburger Öko-Institut für das Organisationsteam eine Vorabstudie zum CO2-Fußabdruck der EM erstellt. Dabei wurden 490.000 Tonnen CO2-Äquivalenten berechnet und prognostiziert, dass etwa 70 Prozent der Emissionen durch den Verkehr entstehen werden. Dies liegt zum Großteil an der An- und Abreise der internationalen Fans, die nach Deutschland kommen, um die Spiele live im Stadion zu verfolgen oder in den Fanzonen zu feiern. Aber auch an den Reisen der Mannschaften zwischen Hotel und Stadion.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die Austragungsorte der Spiele möglichst nah beieinander liegen, um lange Anreisen für alle Beteiligten zu vermeiden. Die Vorrundenspiele sind deshalb in regionale Cluster aufgeteilt, um Flugreisen für die Mannschaften überflüssig zu machen. Auch die Fans werden dazu ermutigt, mit dem Zug statt mit dem Flugzeug anzureisen. Dazu gibt es vergünstigte Bahntickets: Fans mit einem EM-Ticket können deutschlandweit für 30 Euro in der 2. Klasse und für 40 Euro in der 1. Klasse zu den Spielen reisen. Zudem ist der öffentliche Nahverkehr an den Spielorten mit dem Stadionticket 36 Stunden rund um den Spieltag kostenlos nutzbar.
Während der EM wird zudem die Anzahl der Parkplätze an den Stadien begrenzt und die Parkgebühren erhöht. Von den 24 Euro Parkgebühr pro Spieltag fließen 5 Euro in den EM-Klimafonds. In Berlin, Frankfurt, Hamburg und Leipzig bleiben die Stadionparkplätze komplett geschlossen.
Viele kleine Maßnahmen vor Ort bilden ein Ganzes
In den Austragungsorten („Host Cities“) werden zahlreiche kleine Projekte umgesetzt: In den Fan Zones zum Beispiel Mehrwegbecher verwendet. Gastronom*innen erhielten im Vorfeld Checklisten zur Müllvermeidung, wie das Servieren von Speisen in Papierservietten oder -tüten. Sie sollen auch ein nachhaltiges Angebot mit veganen, vegetarischen und regionalen Gerichten bereitstellen. Abseits der Public Viewing-Bereiche kommt Mehrweggeschirr zum Einsatz. Es gibt Mülltrennung, Taschenaschenbecher aus Recyclingmaterial und eine Kooperation mit Foodsharing, bei dem übrig gebliebene Speisen verteilt werden. Unvermeidbarer Abfall, wie Fahnen und Banner, wird in einem Upcycling-Projekt mit der Lederschmiede Stuttgart weiterverarbeitet.
Auch in anderen Städten lebt der Nachhaltigkeitsgedanke in den vielen kleinen Maßnahmen. Dazu gehören Fahrradwerkstätten, Trinkwasserbrunnen und ebenfalls viele Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung. Auch bei der Müllvermeidung geht man neue Wege: Die Berliner Fanmeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule wird komplett mit künstlichem Rollrasen ausgelegt. Obwohl Naturrasen eigentlich als bessere Option erscheint, erfordert er hohen Pflegeaufwand und erheblichen Wasserverbrauch. Daher stellt künstlicher Rollrasen die langlebigere und nachhaltigere Alternative dar. Dieser Rasen wird nach dem Event aber nicht entsorgt, sondern an lokale Fußballvereine und -plätze weitergegeben, die ihn nach Reinigung weiterhin nutzen können. Der Rollrasen wurde zudem CO2-reduziert hergestellt und ist vollständig recyclingfähig.
Konkrete Maßnahmen für soziale Nachhaltigkeit
In den Austragungsstädten der EM sind aber auch viele Maßnahmen geplant, um den sozialen Nachhaltigkeitsgedanken zu fördern und Menschen zu erreichen, die bisher wenig Berührungspunkte mit dem Thema hatten. In den Fanzonen wird es Raum für Bildungsangebote und inklusive Projekte geben, die den Fans vorgestellt werden.
Die sozialen Nachhaltigkeitsprojekte sollen vor allem auf kommunaler Ebene wirken. In Freiburg wird beispielsweise ein mobiler Lese-Kiosk eingerichtet, während in Berlin ein großer Spielplatz für Erwachsene entsteht. Ein weiteres bundesweites Projekt, das vom Bund gefördert wird, übersetzt Fußballbegriffe in Gebärdensprache.
Auch das Kunst- und Kulturprogramm soll zur sozialen Nachhaltigkeit beitragen. Während der EM finden zahlreiche Projekte statt, die vom Bund unterstützt werden. Insgesamt werden 60 Einzelprojekte in verschiedenen Kommunen gefördert, nicht nur an den EM-Spielorten. Zum Förderprogramm der Bundesregierung gehört auch eine Volunteer-Akademie. Diese soll den 16.000 freiwilligen Helfern und Helferinnen der EM spezielle Angebote bieten, die sie weiterbilden und qualifizieren, und damit die Grundlage für weiteres Engagement schaffen.
Nachhaltige EURO 2024 – Tipps für Fußballfans mit grünem Herz
Viele Fans fragen sich jetzt: Wie kann ich selbst während der Fußball-EM 2024 zu mehr Nachhaltigkeit beitragen? Hier ist eine Liste mit einfachen Maßnahmen, die Sie ohne großen Aufwand umsetzen können:
- Nachhaltig anreisen: Nutzen Sie öffentliche Verkehrsmittel, um zu den Spielen zu gelangen. Mit einem EM-Ticket können Sie 36 Stunden im gesamten ÖPNV-Netz der Host Cities kostenlos fahren. Verwenden Sie in Ihrer Heimatstadt das Fahrrad, um zu den Veranstaltungen (Spiele, Public Viewing, …) zu gelangen. Und wenn es nicht als anders als mit dem Auto geht, bilden Sie Fahrgemeinschaften. Das senkt nicht nur die Anzahl der Fahrten, sondern bringt Sie auch mit Freund*innen oder Nachbar*innen zusammen.
- Nachhaltige Verpflegung: Wählen Sie vegane, vegetarische oder regionale Speisen, um die Umweltbelastung zu reduzieren. Oder Sie verzichten mal auf Pommes und entscheiden sich stattdessen für weniger CO2-intensive Lebensmittel wie Salzkartoffeln. Und trinken Sie Getränke von regionalen Herstellern und Brauereien, um die CO2-Emissionen durch kurze Lieferwege zu senken.
- Abfall vermeiden: Nutzen Sie in den Fan Zones die bereitgestellten Recyclingstellen und trennen Sie Ihren Müll korrekt. Verwenden Sie Mehrweggeschirr und -becher und beteiligen Sie sich an Initiativen wie der „Abfalljagd“ in Frankfurt, um aktiv Müll im öffentlichen Raum zu sammeln und zu recyceln.
- Gemeinsam Spiele schauen: Organisieren Sie Fernsehrunden mit Nachbar*innen oder Freund*innen, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Viele Sportvereine veranstalten auch Public Viewings in Ihrer Nähe, so dass Sie Fahrten zu großen Veranstaltungen vermeiden und sich trotzdem vom „Sommermärchen 2.0“ begeistern lassen können.
- Essen nicht wegwerfen: Teilen Sie übrig gebliebene Speisen mit anderen oder bringen Sie sie zu Foodsharing-Initiativen, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
- Bewusster Umgang mit Energie: Schalten Sie elektronische Geräte, die Sie nicht benötigen, aus und achten Sie auf einen sparsamen Umgang mit Energie in Ihrer Unterkunft oder bei Ihnen zuhause.
In unseren Ratgebern finden Sie viele weitere Energiespar-Tipps!