Steuerliche Vorteile, weniger Bürokratie, ein höherer Klimabonus, die Aussetzung des Standards EH40 bei Neubauten: Mit vielen verschiedenen Maßnahmen will die Bundesregierung dafür sorgen, dass in Deutschland wieder mehr Wohnraum entsteht. Die Zeit drängt: Die Baubranche kriselt, auch für viele Familien rückt der Traum von den eigenen vier Wände in weite Ferne.
Krise beim Wohnungsbau: Gipfel sendet Signal an Baubranche
Bezahlbarer Wohnraum ist eines der derzeit brennendsten Themen. Mieten und Kaufpreise sind in vielen Regionen die Höhe geschossen, vor allem in den Ballungszentren übersteigt die Nachfrage das Angebot bei Weitem. Die „Ampel-Koalition“ aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen war vor zwei Jahren mit dem Ziel angetreten, das zu ändern. Pro Jahr sollen rund 400.000 neue Wohnungen gebaut werden, 100.000 davon Sozialwohnungen. Doch wie der Blick in die Statistik zeigt, entstanden 2022 gerade einmal 295.000 Wohneinheiten.
Für viele Familien bleibt daher der Traum von den eigenen vier Wänden genau das: ein Traum. Die Bauwirtschaft klagt über Umsatzeinbrüche in Höhe von 50 bis 70 Prozent. Viele Gründe kommen in dieser Situation zusammen: gestiegene Bauzinsen, eine hohe Inflation, Lieferengpässe und damit teures Baumaterial. Für 2023 erwartet der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes die Fertigstellung von lediglich 245.000 neuen Wohneinheiten.
Da die Zahl der Baugenehmigungen und die Nachfrage nach Immobilienkrediten ebenfalls stark zurückgegangen ist, hat in dieser Situation die Bundesregierung die Schaffung von neuem und vor allem günstigem Wohnraum zur Chefsache erklärt. Beim Wohnungsbaugipfel Ende September 2023 im Kanzleramt stellten Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesbauministerin Klara Geywitz ein Paket aus mehreren Maßnahmen vor, um den Bau neuer Wohnungen zu fördern.
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Wohnungsbaugipfel: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung?
- Steuervorteile: Für neue Bauvorhaben werden besondere Abschreibungsregeln (AfA) geschaffen, so dass Firmen ihre Investitionen schneller refinanzieren können. So sehen die Regelungen zur „degressiven AfA“ keine Obergrenzen bei Baukosten vor, zudem soll man in den ersten Jahren nach Fertigstellung größere Beträge geltend machen können.
- Schneller Bauen: Dazu soll das serielle Bauen gefördert werden. Einmal genehmigte Häuser können dann ohne aufwendige neue Genehmigungsverfahren in anderen Bundesländern gebaut werden. Zudem soll es die neue Gebäudeklasse E (E steht für „einfach“) geben, für die nur eine Mindestanzahl an DIN-Anforderungen gelten soll.
- Speed-Bonus für Heizungen: Der Austausch von alten, fossilen Heizsystemen und der Einbau neuer, klimafreundlicher Heizungen sollen schneller vonstattengehen. 2024 und 2025 steigt der Klima-Bonus von 20 auf 25 Prozent, 2026 und 2027 sinkt er um 5 Prozent, anschließend um 3 Prozent. Für Wohnungsunternehmen und Vermieter gibt es für 2024 und 2025 ebenfalls einen höheren Klimabonus.
- Förderung privater Bauherren: Bei der Neubauförderung für Familien wird die derzeit geltende Einkommensgrenze von 60.000 Euro pro Jahr auf 90.000 Euro angehoben. Pro Kind kommen weitere 10.000 Euro dazu. Die Höchstbeträge der KfW-Kreditsummen werden ebenfalls um jeweils 30.000 Euro erhöht.
- Neues Wohneigentumsprogramm: Unter dem Titel „Jung kauft Alt“ fördert der Bund 2024 und 2025 den Kauf von sanierungsbedürftigen Bestandgebäuden durch junge Familien. Dabei soll aber eine Sanierungsauflage gelten, die sich an den Regeln der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)
- Öffnungsklausel bei Grunderwerbsteuer: Um die Kaufnebenkosten zu senken, sollen die Länder die Höhe der Grunderwerbsteuer flexibler gestalten dürfen. Denkbar wäre beispielsweise ein Freibetrag. Diesen Vorschlag lehnten die Länder im Vorfeld des Wohnungsgipfels bereits ab.
- Förderung bei Umnutzung: Wenn Gewerbeimmobilien (also Büros oder Flächen im Einzelhandel) zu Wohnraum umgebaut werden, sollen Eigentümer*innen und Investor*innen von einer zusätzlichen Förderung profitieren. Für 2024 und 2025 wird dazu ein neues KfW-Förderprogramm aufgelegt.
- Förderprogramm für Kauf und Sanierung: Der Bund plant ein neues Programm für den Kauf und die Sanierung von älteren Gebäuden. Details sind noch offen.
- Sozialer Wohnungsbau: Für den Zeitraum 2022 bis 2027 stellt der Bund eine Rekordsumme von insgesamt 18,15 Milliarden Euro an Fördermitteln für den sozialen Wohnungsbau bereit. Zudem will der Bund über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Ländern und Kommunen vergünstigte Grundstücke bereitstellen, auch der Verbilligungsbeitrag pro neugeschaffener Sozialwohnung wird von 25.000 auf 35.000 Euro angehoben.
- Neue Wohngemeinnützigkeit: Ab 2024 soll die sogenannte „Neue Wohngemeinnützigkeit“ in Kraft treten. Vermieter*innen, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, können von Investitionszuschüssen und Steuervorteilen profitieren.
- Aussetzung des Neubaustandards EH40: Der Bund verzichtet darauf, den eigentlich für 2025 geplanten EH40-Mindeststandard für Neubauten einzuführen. Die Bauwirtschaft kritisiert den verschärften Standard für Effizienzhäuser bereits seit längerer Zeit, da die strengen Vorgaben die Baukosten deutlich verteuern würden, ohne gleichzeitig für entsprechend mehr Klimaschutz zu sorgen.
- Absage an EU-Sanierungspflicht: Die Bundesregierung will die EU-Pläne für strikte Sanierungsvorgaben stoppen. Angestrebt werden zwar anspruchsvolle Sanierungsquoten im Gebäudebestand, allerdings sollen daraus nicht mehr Verpflichtungen für einzelne Wohngebäude folgen.
Nach dem Wohnungsgipfel: Bau- und Immobilienbranche leicht optimistisch
In ersten Reaktionen zeigten sich Baubranche und Immobilienwirtschaft mit den geplanten Maßnahmen zufrieden. Kein Wunder, basieren doch viele der Vorhaben auf Verhandlungen zwischen Politik und Wirtschaft im Vorfeld des Gipfels. Allerdings bleiben viele Expert*innen skeptisch, ob die Gelder und Steuervorteile die Bauwirtschaften langfristig beleben können. Und Umweltverbände kritisierten, dass verstärktes nachhaltiges Bauen beim Wohnungsgipfel eigentlich keine Rolle spielte.