Energiewende gestalten. Infrastruktur schützen.
Hitze, Starkregen und Hochwasser – die Extremwetterereignisse nehmen auch in Baden-Württemberg zu. Beim Nachhaltigkeitsdialog 2025 haben wir mit Expert*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Frage diskutiert, wie sich Kommunen noch besser an die Klimafolgen anpassen können.
Impressionen vom Nachhaltigkeitsdialog
„Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit sind kein Widerspruch!“
Prof. Dr. Uwe Schneidewind im Interview
Beim EnBW Nachhaltigkeitsdialog drehte sich in diesem Jahr alles um die Klimafolgenanpassung in Kommunen. Mit dabei: der Wirtschaftswissenschaftler und OB von Wuppertal, Uwe Schneidewind. Im Interview erläutert er, warum Klimaanpassung eine ökonomische Überlebensfrage ist.
Nach dem schweren Hochwasser in Wuppertal im Juli 2021 haben Sie zahlreiche Präventivmaßnahmen auf den Weg gebracht. Unabhängig von geografischen Besonderheiten: Gibt es Maßnahmen, die für Kommunen leicht umzusetzen und gemessen am Aufwand besonders effektiv sind?
Uwe Schneidewind: Was sich bei uns in Wuppertal als hoch effektiv erwiesen hat, ist eine digitale Starkregengefahrenkarte. Auf ihr kann jeder Gebäudeeigentümer exakt nachvollziehen, wie die Wasserflüsse in seiner Straße bei unterschiedlichen Starkregenintensitäten verlaufen. Das ermöglicht jedem Eigentümer effektive Schutz- und Verstärkungsmaßnahmen am Gebäude vorzunehmen.
Nach dem Hochwasser 2021 hat die Stadt zudem mit betroffenen Unternehmen ein KI-basiertes Hochwasser-Frühwarnsystem – unterstützt durch die Landesregierung - auf den Weg gebracht. Es ermöglicht sehr genaue Prognosen über den Hochwasser-Verlauf. Das gibt Anliegern mit einigen Stunden Vorlauf die Möglichkeit, passende Schutz- und Evakuierungsmaßnahmen im Hochwasserfall vorzunehmen.
Einerseits wird über die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen und deren Akzeptanz kritisch diskutiert, andererseits erleben die Bürger*innen hautnah, wie der menschengemachte Klimawandel schon heute das eigene Leben und den Wohlstand bedroht. Wie gehen Sie als Oberbürgermeister mit diesem Spagat um?
Schneidewind: Gerade über die hohe Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen – vom Hitze- bis zum Hochwasserschutz – lässt sich der Spagat überwinden: Mehr Grün in der Stadt, Schwamm-Stadt-Konzepte, Dachbegrünungen, die Schaffung von ökologischen Retentionsflächen – für solche Maßnahmen gibt es eine große Unterstützung, weil den Bürgern die Schutzfunktion in Extremwettersituationen unmittelbar einleuchtet. Sie sind oft auch ein Beitrag zum proaktiven Klimaschutz und öffnen damit die Tür auch für weitere Klimaschutzmaßnahmen wie dem Ausbau regenerativer Energien.
Sie sind auch Wirtschaftswissenschaftler. Wirtschaft und Klimaschutz erscheinen im Diskurs oft als Gegensätze. Wie können wir uns als Gesellschaft wieder auf das Notwendige fokussieren, ohne in ideologische Grabenkämpfe zu verfallen?
Schneidewind: Das Entscheidende ist: Sie erscheinen nur als Gegensätze, sie sind keine Gegensätze. Der Großteil der Wirtschaft hat das längst erkannt. Regenerative Energien sind inzwischen nicht nur günstiger als fossile Energien, sondern auch geopolitisch sicherer. Daher zieht es immer mehr energieintensive Industrieansiedlungen in Regionen mit umfassender regenerativer Energie.
Ökonomisch ist es wichtig, langfristige Erwartungssicherheit im Energiesystem zu schaffen. Der populistische Reflex eines „Drill, drill, drill“ und der Rückkehr zu fossilen Energien ist nicht nur für die Klimaentwicklung, sondern auch ökonomisch Gift. Daher ist zu hoffen, dass Europa hier einen kühlen Kopf bewahrt und Kurs hält.
Zur Person
Prof. Dr. Uwe Schneidwind (*1966) war von 2010 bis 2020 wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts und Professor für "Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit" an der Bergischen Universität Wuppertal. Am 27. September 2020 wurde Schneidwind als Kandidat von Bündnis 90 / Die Grünen zum Wuppertaler Oberbürgermeister gewählt.
EnBW Nachhaltigkeitsdialog 2025 – klimasicher in die Zukunft
Rund 300 Gäste haben sich beim EnBW Nachhaltigkeitsdialog in den Stuttgarter Wagenhallen u.a. mit der Fragestellung beschäftigt, wie sich Kommunen an Klimafolgen anpassen können (Quelle: U. Deck).
Bei der Veranstaltung kamen Expert*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und dem Katastrophenschutz zu Wort (Quelle: U. Deck).
V.l.n.r.: Lothar Rieth (Leiter Nachhaltigkeit, EnBW), Steffen Jäger (Präsident und Hauptgeschäftsführer Gemeindetag Baden-Württemberg), Ernst Rauch (Chief Climate & Geo Scientist, Munich RE), Katharina Klein (Leiterin Nachhaltigkeit, EnBW), Louisa Schneider (Journalistin und Moderatorin), Stefan Hermann (Vizepräsident Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg), Dr. Georg Stamatelopoulos (CEO EnBW AG), Prof. Dr. Uwe Schneidewind (Oberbürgermeister von Wuppertal), Joachim Dorfs (Chefredakteur, Stuttgarter Zeitung) (Quelle: U. Deck).
Am Nachmittag hatten rund hundert Gäste die Gelegenheit, sich in von Expert*innen geleiteten Workshops mit konkreten Problemstellungen … (Quelle: U. Deck)
… rund um Klimamodelle, nachhaltige Infrastrukturen und die Transformation des Energiesystems auseinanderzusetzen. (Quelle: U. Deck)
Eröffnete das Abendprogramm: Dr. Georg Stamatelopoulos (CEO EnBW AG). Stamatelopoulos betonte in seinem Impulsvortrag, dass alle Branchen und Sektoren einen Beitrag zur Transformation des Energiesystems leisten müssten (Quelle: U. Deck).
Warum es uns trotz eindeutiger Belege für den Klimawandel und der damit verbundenen schwerwiegenden Folgen schwerfällt, unser Verhalten zu ändern, hat die Neurowissenschaftlerin Maren Urner dargelegt (Quelle: U. Deck).
Für Versicherungen wie die Munich RE haben schon kleine Veränderung des Temperaturmittelwerts große Auswirkungen auf die daraus resultierende Schadenssumme, so Klimarisikoexperte Ernst Rauch. 2024 belief sich diese weltweit auf rund 300 Milliarden Euro (Quelle: U. Deck).
Die Journalistin und Klimaaktivistin Louisa Schneider präsentierte einen Auszug aus dem Programm „Grad.jetzt“. In Kooperation mit Greenpeace hat Schneider sogenannte Kipppunkte aufgesucht (Quelle: U. Deck).
Moderierten die Veranstaltung: Lothar Rieth und Katharina Klein, Leiter und Leiterin des Nachhaltigkeitsbereichs der EnBW (Quelle: U. Deck).
Ob Klimaschutz zu einem kontroversen Thema geworden sei, wollte Joachim Dorfs, Chefradakteur der Stuttgarter Zeitung und Moderator der Podiumsdiskussion, von seinen Gesprächspartner*innen wissen (Quelle: U. Deck).
Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister von Wuppertal, warb in diesem Zusammenhang für neue Narrative. Louisa Schneider hingegen kritisierte, dass sich die demokratischen Parteien beim Thema zurückhielten, während rechte Parteien es für ihre Zwecke nutzten (Quelle: U. Deck).
Kam noch am Abend druckfrisch in den „Stuttgarter Zukunftsnachrichten“ auf den Tisch: eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Workshops (Quelle: U. Deck).