Was ist die Blockchain eigentlich?
Die Blockchain ist ein Rechnernetz, über das eine Kette von Transaktionen validiert, verteilt gespeichert, mit einem Fingerabdruck versehen und kontinuierlich fortgeschrieben wird.
Wie sie funktioniert, zeigt der Vergleich mit einem Grundstücksverkauf: Hier gehen Verkäufer und Käufer zum Notar und schließen einen Vertrag ab. Dieser Vertrag wird anschließend beim Grundbuchamt in Ordner geheftet und ins Regal gestellt. Wenn der Verkäufer dann später etwa behauptet, dass er sein Grundstück gar nicht veräußert habe, schafft der Blick in das Grundbuch beim Grundbuchamt Klarheit und Vertrauen. Statt den Eigentümerwechsel im Ordner des Grundbuchamts zu dokumentieren, könnte dies auch auf einer Blockchain geschehen.
Man könnte sagen, die Blockchain besteht aus mehreren Ordnern, den sogenannten Knoten. Das sind ganz viele Rechner, auf denen die Blockchain identisch vorhanden ist. Auf allen Rechnern wird jede neue Transaktion der Teilnehmer des Netzwerks als Aussage festgehalten. Statt in den entsprechenden Ordner bei einer zentralen Vertrauensinstanz wie dem Grundbuchamt zu schauen, können die Parteien ihre Vereinbarung also jederzeit in den Knoten nachsehen. Dort steht sozusagen die Wahrheit, deshalb ist die Blockchain so etwas wie eine Vertrauensmaschine. Sie kann auf diese Weise Vertrauen und Konsens zwischen Akteuren schaffen.
Dezentralisierung der Stromversorgung: Kann die Blockchain-Technologie die Herausforderungen meistern?
Wer sich mit der Zukunft der Energieversorgung in Deutschland beschäftigt, stellt schnell fest: Mit dem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien nimmt auch die Dezentralisierung der Stromversorgung weiter zu. Immer mehr Produzenten erzeugen Energie, die sie an Konsument*innen verkaufen möchten. Deren Bedarf nach kurzzeitigen Strommengen an verschiedenen Orten wächst gleichzeitig, etwa durch die zunehmende Bedeutung der Elektromobilität. Immer öfter verschmelzen zudem Anbieter und Nachfragende zu sogenannten Prosumern, die Energie erzeugen und nachfragen. Die Menge an Transaktionen auch kleinerer Strommengen – etwa für die Aufladung eines Elektroautos – wird daher perspektivisch steigen. Für die Energieversorgung und den Energiehandel der Zukunft gibt es also viele Herausforderungen.
Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, den Tausch und Handel von Strom zwischen Produzenten, Konsumierenden und Prosumer*innen mit allen erforderlichen Geschäftsprozessen zu ermöglichen. Für den Aufbau eines rein digitalen Abrechnungs- und Handelssystems für dezentrale Versorgungsnetz
Was sind Anwendungsfälle für die Blockchain in der Energiewirtschaft?
Möglich wäre zum Beispiel die Koordination zwischen Übertragungsnetz- und Verteilnetzebene. So könnte die Blockchain die Transparenz bei Regelenergieanforderungen verbessern und die Kommunikation zwischen Aggregatoren, Übertragungsnetzbetreibern und Verteilnetzbetreibern ermöglichen. Letztere könnten dann zum Beispiel Bedarfsanfragen stellen oder ein Veto bei Regelenergieanfragen einlegen. Zudem könnte man Engpässe und Überlastungen im Verteilnetz vermeiden.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit wäre die Selbstorganisation des Strommarktes durch Smart Meter in Kombination mit einer Blockchain. So könnte die Stromproduktion dezentraler Anlagen sowie der Verbrauch von Stromabnehmern über Smart Meter kontrolliert werden. Möglich wäre auch ein automatischer Stromhandel auf der Blockchain zwischen Produzenten und Verbraucher*innen, wenn diese zum Beispiel mehr Strom benötigen. Zur Reduzierung von Umwegen und Kosten wäre es außerdem denkbar, dass man eine Präferenz für regionale Produzenten angeben kann. Und indem man Umwege über Aggregatoren und Börsen für eine selbstorganisierende, dezentrale Stromlandschaft vermeidet, profitiert man nicht nur von sinkenden Stromkosten, sondern fördert auch eine umweltfreundliche und ressourcenschonende Energieversorgung.
Neben diesen Anwendungsfällen könnte die Blockchain auch die Transparenz der Herkunftsnachweise für Stromkund*innen erheblich verbessern. Aktuell ermöglichen HKN zwar den Nachweis, dass eine bestimmte Menge an Ökostrom erzeugt wurde, jedoch ohne eine anlagengenaue Zuordnung der gelieferten Strommengen. Die Blockchain-Technologie könnte die Herkunftsnachweise detaillierter und in Echtzeit nachvollziehbar machen.
Wie funktionieren klassische Herkunftsnachweise?
In Europa speisen alle Erzeuger ihre produzierten Strommengen in einen Stromverbund ein. Physikalisch ist es nicht möglich, eine eingespeiste Menge zielgenau zu bestimmten Verbraucher*innen zu leiten. Denn im sogenannten Stromsee vermischt sich der erzeugte Strom, der entnommene Strom lässt sich keinem spezifischen Kraftwerk mehr zuweisen. Wie wissen Kund*innen von Ökostromtarifen dann, ob es ihren bezahlten Ökostrom im Stromsee tatsächlich gibt?
Herkunftsnachweise (HKN) schaffen hier zumindest Sicherheit. Der Stromanbieter muss über HKN nachweisen, dass er genauso viel – mit bestimmten Erzeugungsanlagen – erzeugten Ökostrom produziert oder eingekauft hat, wie er in seinem Tarif an die Kund*innen liefert. Diese sehen üblicherweise auf ihrer Stromrechnung den Anteil des Stroms mit HKN im erläuterten Strommix. Welche HKN im Detail zu dem Anteil hinterlegt sind, erfahren sie aber nicht. Hier kann die Blockchain-Technologie Abhilfe schaffen und die Transparenz sogar noch erhöhen.
Qualitätsmerkmale von Strom eindeutig und transparent nachweisen zu können, ist eine der Kernfähigkeiten, die uns die Blockchain-Technologie ermöglicht.
Blockchain-Herkunftsnachweis: Erprobung in der Praxis
Die EnBW hat mit ihren Tochterunternehmen bereits verschiedene Anwendungsfälle zum Blockchain-basierten Herkunftsnachweis prototypisch umgesetzt – mit Erfolg. Auf diese Weise konnten praktische Erfahrungen gesammelt werden, um die technischen Möglichkeiten zu bewerten. „Erdgas Südwest (ESW) hat etwa in einem Proof of Concept den Nachweis der Qualität von Biogas auf der Strecke von Biogasanlage bis hin zum Blockheizkraftwerk mit Einsatz der Blockchain abgebildet“, erklärt Christian Sander. „Und in einem Anwendungsfall der Ostwürttemberg DonauRies AG (ODR) haben die Kolleginnen und Kollegen einen bilanziellen Nachweis von Strom aus einer PV-Anlage mit Hilfe von Tokens durchgeführt. Die für den Test angeschlossenen Verbraucher*innen haben über intelligente Zähler verfügt, sodass wir auch die tatsächlich davon verbrauchte Strommenge digital in Echtzeit nachweisen konnten.“
Stromtransparenz heute und morgen
Blockchain beweist, woher der Ökostrom genau stammt
Ein Blockchain-basierter Herkunftsnachweis von regenerativ erzeugtem Strom ist mehr als ein technischer Fortschritt mit den Mitteln der Digitalisierung: Der digitale Beleg hat das Potenzial, die Bereitschaft von Konsumierenden zu erhöhen, sich bewusst für Ökostrom zu entscheiden. Wenn Verbraucher*innen in ganz Deutschland eine sehr genaue, über die bisher üblichen Angaben hinausgehende Bestätigung erhalten können, wo ihre eingekaufte Ökostrommenge tatsächlich entstanden ist, dürfte das auch die Akzeptanz des Ausbaus erneuerbarer Energien erhöhen. Verbraucher*innen könnten etwa in Zukunft über die Blockchain-Technologie zweifelsfrei Strom aus örtlichen Solar- und Windparks beziehen. Dann wüssten sie genau, woher ihr Ökostrom stammt.
„In laufenden Anwendungsfällen setzen wir uns weiter mit der technischen Machbarkeit anlagenscharfer Herkunftsnachweise und den Umsetzungsmöglichkeiten im regulatorischen Rahmen auseinander“, erklärt Sander. „Wäre es nicht interessant, wenn ich als Verbraucher mit Sicherheit sagen könnte, dass der von meinem Fernseher verbrauchte Strom im gleichen Moment durch das Windrad erzeugt wird, das ich durch mein Wohnzimmerfenster sehe?“, fragt der Digitalexperte. „Wir sind überzeugt davon, dass ein digitaler Herkunftsnachweis Verbraucher*innen einen echten Mehrwert bringen dürfte. Der Blockchain-Einsatz wäre ein weiteres Beispiel dafür, wie wir die Energiewende mit den Mitteln der Digitalisierung kunden- und zukunftsorientiert gestalten können.“