Poller vor E-Ladestationen sollen normalerweise verhindern, dass Fahrer*innen mit ihren Fahrzeugen unbeabsichtigt die Ladesäulen rammen und diese beschädigen können – etwa beim Rückwärtseinparken. Autofahrer*innen mit körperlichen Beeinträchtigungen stehen die Pfosten jedoch häufig im Weg. Wer keinen Schritt ohne einen Rollator gehen kann oder auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kommt an vielen bislang in Deutschland errichteten E-Ladesäulen schlecht oder gar nicht an Bediendisplays oder Ladestecker. Zwischen Auto, Poller und Ladesäule ist meist kaum Platz. Bordsteine und Grünstreifen erschweren den Zugang oft zusätzlich.
Derartige Hindernisse gehören an immer mehr Schnellladeparks der EnBW der Vergangenheit an: Das Energieunternehmen setzt bei seinen großen, meist überdachten Schnellladestandorten zunehmend auf barrierearme Ladeplätze. Diese sind besonders breit, in der Fläche kaum geneigt und verfügen über Pflastersteine mit geringen Fugen. Menschen mit körperlichen Einschränkungen erleichtert das die Nutzung deutlich. „Zudem sind die Kabel an unseren barrierearmen Schnellladeplätzen extra lang und dank eines speziellen Kabelmanagementsystems mit Zugentlastung sehr einfach zu handhaben“, erklärt Isabel Dorner, Produktmanagerin für Elektromobilität bei der EnBW. „Auch die Sitzgelegenheiten sowie die Toiletten im eigenen Aufenthaltsbereich sind barrierearm – so können alle Autofahrer*innen entspannt Pause machen.“
„Es sind in Bezug auf Barrierefreiheit bislang noch keine einheitlichen Gesetze und Normen für Elektromobilität und die dazugehörige Ladeinfrastruktur verabschiedet worden. Diese sind jedoch in Vorbereitung und könnten noch 2024 kommen“, erklärt Isabel Dorner. Derweil schreite der Ausbau des Schnellladenetzes unaufhaltsam voran. Allein die EnBW plane, bis 2030 rund 30.000 öffentliche Schnellladepunkte zu betreiben. „Grund genug für uns, Barrierefreiheit zum wichtigen Thema zu machen und nach optimalen Lösungen zu suchen“, so Dorner weiter. „Dafür haben wir uns einerseits an den Regelungen orientiert, die heute bereits für Parkplätze gelten. Gleichzeitig sind wir in den intensiven Austausch mit verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen gegangen.”
Für Tests suchte die EnBW gezielt die Zusammenarbeit mit dem Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (LSK). Der Verband setzt sich im Sinne der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen dafür ein, dass Menschen mit und ohne Behinderung die gleichen Rechte, Chancen und Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe haben. „Uns war wichtig, auf die tatsächlichen Bedürfnisse von körperbehinderten Menschen einzugehen“, erklärt Dorner. Aus vielen Ortsterminen und Gesprächen mit körperbehinderten Menschen und Botschafter*innen für Barrierefreiheit hat die EnBW konkrete Ziele definiert, das Konzept stetig verbessert und Maßnahmen in die Planung der barrierearmen Ladeparks einfließen lassen.
Das wollte beispielsweise Svenja Gluth wissen und hat den barrierearmen Ladepark der EnBW in Aurach getestet – und Isabel Dorner direkt Rückmeldung zu Details gegeben. Ihr Resümee fällt insgesamt sehr positiv aus: „Ich habe mein E-Auto heute zum ersten Mal unterwegs selbst geladen. Dafür bin ich so dankbar, denn das bedeutet für mich mehr Selbstbestimmtheit“, so Gluth. „Die Ladesäulen sind mit einem Rollstuhl direkt anfahrbar und ich habe genügend Platz zum Aussteigen. Display und Ladekabel sind gut erreichbar und dank des Schwenkarms kann ich das Ladekabel selbst bis zum Auto ziehen.” Wünschen würde sich Gluth allerdings eine generelle Überdachung. Aktuell ist das nicht bei allen als barrierearm gekennzeichneten Ladepunkten der Fall. „Wir versuchen, Überdachungen an allen unseren Standorten zu bauen. Oft hat es aber baurechtliche Gründe, die dem entgegenstehen. Zum Beispiel, weil Sichtachsen frei bleiben müssen”, erklärt Dorner.
Aktuell gibt es in Deutschland mehr als drei Millionen Führerscheinbesitzer*innen mit körperlichen Einschränkungen. Ausgehend von dem Ziel der Bundesregierung, 15 Millionen zugelassene E-Autos bis zum Jahr 2030 zu erreichen, lässt sich laut LSK ein Bedarf von mehr als 1,1 Millionen E-Autos mit rollstuhlgerechter Ladeinfrastruktur ableiten.