Ein Sturm braut sich zusammen, das Meer wird rau und der Himmel verdunkelt sich. Die Sonne verschwindet an einem Ende und erhebt sich am anderen Ende der Anden-Gebirgskette, um das weite Land in goldenes Licht zu tauchen. So wunderschön ist Patagonien – und mindestens genauso bezaubernd ist der Süden von Argentinien und Chile nun im Miniatur Wunderland verewigt. Nur eben viel kleiner, doch genau das macht den Reiz der Modellwelt in Hamburgs historischer Speicherstadt aus.
Nach vier Jahren Bauzeit mit insgesamt 50.000 Arbeitsstunden ergänzt der 65 Quadratmeter große Abschnitt hier seit Anfang Mai das benachbarte Rio de Janeiro in der Südamerika-Welt um eine wunderbare Attraktion im Miniatur Wunderland. Insgesamt sind nun elf Gebiete in der Ausstellung im Maßstab 1:87 dreidimensionale Modelle zu sehen, weitere Modellbau-Abschnitte sind geplant. Bis auf die fiktive Stadt „Knuffingen“ in Mitteldeutschland sind alle seit der Eröffnung im Jahr 2000 realisierten Abschnitte in großen Teilen oft bis ins kleinste Detail ihren realen Vorbildern nachempfunden. So etwa Hamburg, die Heimatstadt des Miniatur Wunderlands, die mit allen beliebten Sehenswürdigkeiten wie der Elbphilharmonie, dem Michel und dem Hafen dargestellt ist.
Das gesamte Miniatur Wunderland erstreckt sich auf mittlerweile 1.610 Quadratmeter Modellfläche. Auf zwei Etagen gibt es aktuell 1.166 fahrende Züge, 10.330 zum Teil computergesteuerte Autos, 47 fliegende Flugzeuge und 4.669 liebevoll gestaltete Gebäude zu sehen. 289.410 Miniaturfiguren stellen verschiedene Szenarien und Lebenssituationen dar – vom Konzert im Freien bis zum gut besuchten Fußballstadion ist fast jede denkbare Situation dargestellt, die ebenso in der wirklichen Welt stattfindet. Dazu gehören auch Verkehrsunfälle, brennende Gebäude und medizinische Notfälle. Besucher*innen schauen auf eine Welt, die sich im kleinen Maßstab vor ihnen abspielt.
Von Anfang an hat die Energiewende Einzug in das Miniatur Wunderland gehalten und die Mitarbeiter*innen im Modellbau immer wieder beschäftigt. Auf vielen Hausdächern der Modellwelten sind inzwischen Photovoltaikanlagen verklebt, vor allem in den deutschen Abschnitten ragen mehrere Windkraftanlagen an Land und auf hoher See in die Höhe. Wärmepumpen, Wallboxen und Batteriespeicher sind weniger schnell zu erkennen, aber ebenfalls auffindbar. Wie wichtig ist es den Wunderland-Gründern, mit dem tatsächlichen Ausbau der erneuerbaren Energien im Maßstab 1:87 Schritt zu halten?
„Neben der Familie, der eigenen Gesundheit und dem Wohl des Miniatur Wunderlands steht bei mir sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich die Energiewende direkt an nächster Stelle“, erzählt Geschäftsführer Gerrit Braun im Gespräch. Unter dem Titel „Gerrits Tagebuch“ beschäftigt sich Braun bei YouTube nicht nur mit dem Alltag im Miniatur Wunderland, sondern oft auch faktenreich mit dem Klimawandel. In einem dreistündigen Videobeitrag von April 2023 etwa analysiert er die Potenziale klimafreundlicher Technologien und klärt als überzeugter E-Autofahrer über häufige Mythen rund um Elektromobilität auf.
Auch im Miniatur Wunderland ist Elektromobilität ein wichtiger Baustein der Verkehrswende, den die Modellbauer*innen zunehmend sichtbar machen – abgesehen von der Tatsache, dass sich in der Modellwelt ohnehin alles nur mit Strom bewegt. Letztlich geht es den Wunderland-Betreibern auch beim Thema Energiewende darum, Entwicklungen der realen Welt im Kleinen abzubilden: In Kooperation mit der EnBW sind deshalb insgesamt 32 Ladepunkte für E-Mobilität im Modellbau-Universum entstanden, die den bundesweiten Ausbau der Ladeinfrastruktur durch die EnBW repräsentieren sollen.
In der fiktiven Stadt „Knuffingen“ gibt es ab sofort einen überdachten und beleuchteten Ladepark, in Mitteldeutschland ist ein ähnlicher Ladepark entstanden – nur weitaus größer. Jeweils zwei Ladesäulen stehen im Hamburg-Abschnitt vor einem Supermarkt am Flughafen, auf dem Parkplatz des Volksparkstadions und vor einem Baumarkt zur Verfügung. „Auch im Miniatur Wunderland ist die E-Mobilität damit jetzt im Alltag angekommen“, meint Volker Rimpler, der bei der EnBW für den Aufbau der Schnellladeinfrastruktur verantwortlich ist. „Es macht mich stolz, so liebevoll gestaltet und detailverliebt im Miniatur Wunderland wiederzusehen, was wir im großen Maßstab bauen.”
Innerhalb Deutschlands hat die EnBW bereits heute das mit Abstand größte Schnellladenetz errichtet. Bis 2030 möchte sie bundesweit rund 30.000 Schnellladepunkte betreiben und einen relevanten Anteil zu den bis dahin benötigten 130.000 bis 150.000 Schnellladepunkten leisten. Dafür investiert die EnBW jährlich deutlich mehr als 100 Millionen Euro. „E-Mobilität ist heute bereits alltagtauglich und fügt sich nahtlos in den mobilen Alltag ein. Dazu trägt die EnBW mit dem konsequenten Ausbau der Schnellladeinfrastruktur in Deutschland bei“, so Rimpler. „Schön, dass wir nun auch mit ersten Ladeparks und -stationen im Miniatur Wunderland vertreten sind, die diesen Ausbau symbolisieren.“
Die EnBW bringe die Ladeinfrastruktur im realen Leben dorthin, wo sie heute und in Zukunft gebraucht werde. „Dabei fokussieren wir uns auf Lademöglichkeiten an Fernverbindungen, während des Einkaufs und im urbanen Raum“, erklärt Rimpler. Konkret gemeint seien damit idealerweise überdachte Schnellladeparks mit optimaler Anbindung an Autobahnen oder Bundesstraßen, Ladesäulen auf Parkplätzen vor Einzelhändlern oder Schnelllademöglichkeiten im innerstädtischen Raum – ganz wie im Miniatur Wunderland im Kleinformat ebenfalls umgesetzt.
„Nachhaltigkeit ist der EnBW hierbei besonders wichtig, denn die Mobilitätswende ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende“, meint Rimpler. So betreibe die EnBW ihre eigenen Ladestandorte vollständig mit Ökostrom und installiere PV-Anlagen auf den Dächern ihrer Schnellladeparks. „Herausforderungen beim Ausbau bringen vor allem die komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren bis hin zum Netzanschluss mit sich“, so der E-Mobilitätsexperte. Im Miniatur Wunderland gab es keinen aufwändigen Genehmigungsprozess: „Für uns war klar, dass wir auch die zunehmende E-Mobilität abbilden müssen, deshalb hat uns die Zusammenarbeit mit der EnBW gefreut“, meint Gerrit Braun.
Die gesamte Anlage im Modellbau-Universum wird von einer komplexen Software und insgesamt 50 Computern gesteuert, die den Verkehr, die Beleuchtung mit 498.500 LEDs, Bewegungen und vieles mehr koordinieren. Alle 15 Minuten wechseln Tag und Nacht im Miniatur Wunderland, wodurch beeindruckende Lichteffekte entstehen, die Details und Sichtweisen auf Städte und Landschaften ermöglichen, die im Tageslicht verborgen bleiben. Ob der funkelnde Sternenhimmel über den Rocky Mountains, das sanfte Dämmern des Tagesanbruchs in „Knuffingen“ oder die schillernden Neonlichter des nächtlichen Las Vegas: Jeder Abschnitt erhält durch die wechselnde Beleuchtung eine eigene, besondere Atmosphäre.
Es gibt viele kuriose Szenen im Miniatur Wunderland – etwa eine Kuh, die von einem UFO entführt wird, einen Weihnachtsmann, der mit Rentieren fliegt, und einen feuerspeienden Drachen in einer mittelalterlichen Burg. Die Modellbauer*innen der insgesamt rund 400 Mitarbeiter*innen des Miniatur Wunderlands haben viele lustige und unerwartete Details in die Anlage eingebaut, die sich Besucher*innen erst beim genaueren Hinschauen offenbaren.
Längst ist das Miniatur Wunderland mit seinen vielen realistisch nachempfundenen Landschaften und Städten, in denen Besucher*innen sich stundenlang verlieren können, mehr als eine Modelleisenbahnanlage. Inspiration für den Bau der heutigen Touristenattraktion war jedoch eine typische Modelleisenbahn, die Frederik Braun im Sommer 2000 beim Stadtbummel in Zürich im Schaufenster eines Modelleisenbahngeschäfts fasziniert bestaunte – und die in ihm Kindheitserinnerungen aufleben ließ. Noch am selben Tag rief er damals seinen Zwillingsbruder Gerrit an und überrumpelte ihn mit seinem tollkühnen Plan: „Wir bauen die größte Modelleisenbahn der Welt.“ Der Rest ist Geschichte.
Zusammen mit dem Mitgründer Stephan Hertz bauen Frederik und Gerrit Braun auch heute noch jeden Tag an ihrem Traum weiter. „Wir arbeiten in allen Bereichen aktiv mit und delegieren nicht vom Schreibtisch“, erklären sie ihre Unternehmensphilosophie. Der Erfolg gibt ihnen recht: Statt der anfangs erhofften 100.000 Besucher*innen pro Jahr kamen allein bis Mitte 2021 mehr als 20 Millionen Gäste.