Lithium entwickelt sich zu einem der meistgefragten Rohstoffe der Welt. Laut Prognosen der Marktforscher von Benchmark Minerals könnte sich der weltweite Lithium-Bedarf bis zum Jahr 2028 fast verzehnfachen. Verwendung findet Lithium als Ladungsträger in Akkus – insbesondere in der Elektromobilität ist das Alkalimetall gefragt. Experten schätzen, dass der Lithiumbedarf für Batterien in neu zugelassenen Fahrzeugen in Deutschland von gut 1.000 Tonnen Lithium im Jahr 2020 auf rund 25.000 Tonnen im Jahr 2035 steigen wird. Kein anderes Element bietet vergleichbare Eigenschaften für langlebige Batterieanwendungen. Bislang gilt Lithium als unersetzlich. Kein Wunder also, dass viele Akteure nach bislang nicht genutzten Lithiumvorkommen und alternativen Gewinnungsmethoden suchen – auch in Deutschland, das zur weltweiten Produktion von Lithium bislang keinen Beitrag leistet. Die Kernfrage dabei: Lässt sich Lithium auch in Deutschland regional und nachhaltig produzieren, um die Abhängigkeit von anderen Staaten zu verringern?
Wofür Lithium verwendet wird
Stand: Januar 2024; Quelle: US Geological Survey
Der globale Bedarf an Lithium, Kobalt und Nickel zur Produktion von Lithium-Ionen-Batterien steigt. Im Dreiländereck Bolivien, Chile, Argentinien sollen 70 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern. Weltweit größter Produzent von Lithium ist derzeit Australien – in den australischen Minen wurden im Jahr 2023 86.000 t Lithium gefördert. Die Wirtschaftlichkeit des Abbaus hängt vom Lithiumgehalt in der jeweiligen Lagerstätte sowie von den eingesetzten Technologien und Methoden zur Gewinnung ab.
Die größten Lithium-Lieferländer 2023
Lithium findet sich, außer in Thermalwasser, in Solen oder in Gestein. In Chile etwa bilden die drei Salzseen der Atacama-Wüste ein riesiges Lithium-Reservoir. Die Sole wird dort genau wie bei der Salzgewinnung aus Meerwasser zum gezielten Verdunsten in künstlich angelegte Becken gepumpt. Nach zahlreichen Verdunstungsschritten entsteht die benötigte Konzentration, um Lithium weiter verarbeiten zu können – erst dann und nach einem aufwendigen Reinigungsschritt können es Batterie- oder Autohersteller für den Einsatz in Batterien verwenden. Australische Bergbaukonzerne gewinnen Lithium wiederum aus Gesteinen im offenen Tagebau.
Kritik an Lithiumabbau
Insbesondere die Lithiumgewinnung durch das Verdunsten von Solewasser steht wegen des hohen Wasserverbrauchs und des gleichzeitigen Wassermangels in einigen Produktionsländern häufig in der Kritik. Umso wichtiger ist es, nach alternativen Abbauregionen und umweltfreundlicheren Methoden der Lithiumgewinnung zu suchen.
Reines Lithium - Made in Germany
Hierzulande steckt Lithium in einigen Regionen im sogenannten Thermalwasser in Tausenden Metern Tiefe – so viel ist bekannt. Über das Verfahren der Geothermie dient Thermalwasser bereits vielerorts zur Stromerzeugung und Bereitstellung von Wärme. Das heiße Wasser wird gefördert und nach der thermischen Nutzung über Wärmetauscher wieder in die Erde zurückgeführt. An die Wärmetauscher angeschlossen sind in der Regel ein Fernwärmenetz und ein Kraftwerk mit Turbine und Generator zur Stromerzeugung.
So wie in Bruchsal: Im dortigen Geothermiekraftwerk erzeugt die EnBW gemeinsam mit den Stadtwerken Bruchsal rund 0,5 MW elektrische Leistung und versorgt die Bereitschaftspolizei Bruchsal über eine 400 Meter lange Nahwärmeleitung.
Nun könnte Bruchsal künftig aber auch als neuer Produktionsstandort auf der weltweiten Karte der Lithiumförderstätten auftauchen. Der Grund:
Die EnBW hat, in einem gemeinsamen Projekt mit dem Partner LevertonHELM, erfolgreich Lithiumcarbonat mit einer Reinheit von mehr als 99,5 Prozent produziert. Dafür wurde zunächst mit Hilfe der direkten Lithiumextraktion (DLE) eine Lithiumchloridlösung aus dem Thermalwasser des Geothermiekraftwerks im baden-württembergischen Bruchsal gewonnen. Diese Lösung wandelte LevertonHELM, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der deutschen HELM AG, in ihren Anlagen in Basingstoke, Großbritannien um und veredelte sie.
Dabei hat das so gewonnene Lithiumsalz eine derart hohe Qualität, dass es direkt zur Herstellung von Kathodenmaterialien für Batterien verwendet werden kann, ohne weiteren Zwischenschritt. Für die Zukunft der Elektromobilität ein echter Durchbruch.
Die Lithiumgewinnung funktioniert in Bruchsal quasi nebenbei, denn das Tiefenwasser pumpt das Geothermiekraftwerk in Bruchsal ohnehin für die Strom- und Wärmeversorgung an die Oberfläche und zurück in den Boden. Die Herausforderung ist jedoch, das wertvolle Lithiumsalz möglichst rein und zugleich auf nachhaltigem und wirtschaftlichem Weg dem Thermalwasser zu entziehen. Hierfür hat EnBW ein neues Verfahren entwickelt, und 2024 patentiert, das besonders nachhaltig ist im Vergleich zu anderen Verfahren im Wettbewerb. Es hat einen deutlich geringeren Wasser- und Energiebedarf. Da die gewonnene Lösung über eine deutlich höhere Lithiumkonzentration und deutlich höhere Reinheit verfügt, als dies bei den gängigen Verfahren der Fall ist, verringert sich außerdem das Transportaufkommen für die weitere Verarbeitung deutlich.
In Bruchsal testet die EnBW derzeit diese Methode in einer neuen Pilotanlage, um noch mehr Erkenntnisse hinsichtlich Technik, Kosten, Umweltauswirkungen und Wirtschaftlichkeit zu erhalten.
Genug Lithium für 20.000 Batterien jährlich
Rund 30 Liter Wasser strömen pro Sekunde in der Geothermie-Anlage des Oberrheingrabens nach oben. Bei rund 8.000 Betriebsstunden könnte in Zukunft in der Bruchsaler Geothermie-Anlage eine Lithiummenge gefördert werden, die ausreichend ist für die Produktion von etwa 20.000 Akkus für Elektroautos. Für die Extraktion des wertvollen Rohstoffs werden Adsorbenten in den Kreislauf aus gefördertem und zurückgeführten Thermalwasser eingebracht: In Zylindern werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis sich das gelöste Lithium als Salz ausfällen lässt. Weil das in einem geschlossenen Kreislauf zirkulierende Thermalwasser nach der Nutzung wieder in den Untergrund zurückfließt, bleiben die unterirdischen Tiefenwasservorräte erhalten. Die geothermische Strom- und Wärmeproduktion ist durch die Lithiumgewinnung ebenfalls nicht gestört.
Ausblick: Wie Geothermie die Energiewende gleich doppelt voranbringen kann
Künftig könnten europäische Geothermiekraftwerke etwa am Oberrhein auf zwei Arten die Energiewende unterstützen: Die tief unter der Erde schier unendliche Energiequelle Thermalwasser für die Erzeugung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien nutzen – und gleichzeitig Lithium fördern, eines der besonders wichtigen, immer mehr benötigten Batteriemetalle.Deshalb sollen nach den Plänen der Bundesregierung bundesweit bis zu 100 weitere Geothermie-Anlagen bis zum Jahr 2030 entstehen und helfen, Deutschland unabhängiger von Importen zu machen.
Mit der Zunahme der Elektrifizierung der Autoantriebe dürfte auch mehr und mehr die Frage des CO₂-Abdrucks und der Umwelteinflüsse bei der Gewinnung und Produktion des gefragten Lithiums in den Fokus rücken. Kurze Transportwege, eine von geopolitischen Risiken unabhängige Lieferkette und eine ökologisch nachhaltige Erzeugung sind für europäische Autohersteller durchaus attraktiv. Bruchsal zeigt einen Weg auf, wie sich der zunehmende Bedarf zumindest zum Teil mit lokalen, klimaneutralen Gewinnungsmethoden decken lässt.