Die TransnetBW betreibt das Übertragungsnetz in Baden-Württemberg (unabhängiger Transportnetzbetreiber). Mit ihren gut 3.200 Kilometern Höchstspannungsleitungen sorgt die EnBW-Tochter dafür, dass jederzeit und überall im Südwesten Strom zur Verfügung steht, wenn er benötigt wird. Der Betrieb des Übertragungsnetzes war früher relativ einfach. Von einigen wenigen großen Kraftwerken wurde der Strom in die Fläche verteilt. Doch durch die vermehrte Erzeugung von Strom aus Sonne und Wind ist das gesamte Energiesystem komplexer geworden. Das stellt die Netzbetreiber vor große Herausforderungen.
Schon heute kommt es immer wieder zu Engpässen in den Übertragungsnetzen
Ein Paradebeispiel: Bei windigem Wetter produzieren die Windparks in Norddeutschland viel Strom. Diesen könnte die Industrie im Süden unseres Landes gut gebrauchen. Doch die Leitungskapazitäten reichen nicht aus – ein Stromstau entsteht. Deshalb wird die Einspeisung des Windstroms reduziert. Um den Bedarf im Süden zu decken, erzeugen dort stattdessen unter anderem konventionelle Kraftwerke den benötigten Strom. Diese Maßnahme, Fachleute sprechen von „Redispatch“, ist teuer und oft nicht klimafreundlich. Um den benötigten Strom aus dem Norden in die Verbrauchszentren in Süddeutschland zu transportieren, baut TransnetBW zusammen mit den anderen drei Übertragungsnetzbetreibern zusätzliche Nord-Süd-Höchstspannungsleitungen. Zugleich macht man sich aber auch daran, das bestehende Netz besser zu nutzen.
Die Kapazitäten des bestehenden Höchstspannungsnetzes werden heute bei weitem nicht voll genutzt. Der Grund ist das eiserne Gebot des Netzbetriebs: das (n-1)-Prinzip. Dieses bedeutet, dass das Stromnetz auch beim Ausfall einer Leitung stabil bleibt, weil die anderen Leitungen deren Ausfall kompensieren und die Last auffangen können. Da Leitungsausfälle recht selten geschehen, bleibt der „Sicherheitspuffer“ im Regelfall ungenutzt; die einzelnen Leitungen transportieren deutlich weniger Strom als möglich wäre.
Wie funktioniert der Netzbooster?
Ein Mittel, um die Auslastung der Leitungen zu erhöhen, ohne Abstriche bei der Netzsicherheit zu machen, ist der Netzbooster. TransnetBW-Projektleiter Severin Mosek erläutert die geplante Anlage: „Im Normalfall wird das Batteriesystem mit Energie geladen sein, so dass das Übertragungsnetz höher ausgelastet werden kann, als dies heute der Fall ist.
Fällt nun ein Stromkreis im Netz aus, werden die verbleibenden Stromkreise temporär überlastet. In diesem Fall dient der Netzbooster als eine Art Airbag. Innerhalb von Sekunden können wir an einem strategisch wichtigen Punkt in unserem Netz Energie bereitstellen – eine Stunde lang eine Leistung von 250 Megawatt – und gleichzeitig die Erzeugung im Norden entsprechend reduzieren. In der Zwischenzeit haben wir Zeit, den Engpass zu managen, entweder durch Schaltungen oder durch das Hochfahren von Kraftwerken.“
Für den Bau der Anlage hat sich TransnetBW mit der Fluence Energy GmbH den weltweit führenden Anbieter von Energiespeicherprodukten und -dienstleistungen sowie cloudbasierter Software für erneuerbare Energien und Speicher als Generalunternehmer ins Boot geholt. TransnetBW-CEO Dr. Werner Götz kommentierte die Partnerschaft selbstbewusst: „Den Branchenführer für unseren Netzbooster gewonnen zu haben, ist sehr erfreulich, zeugt aber auch von unseren hohen Ansprüchen.“ Die Lithium-Ionen-Batterietechnik, die im Netzbooster zum Einsatz kommen wird, ist bekannt und bewährt. Eine große Innovationsleistung hingegen wird die erstmalige Einbindung in den Betrieb des Übertragungsnetzes sein. Das Ergebnis wird eine erhöhte Übertragungsfähigkeit bestehender Leitungen bei voller Netz- und Versorgungssicherheit. Hierin liegt der innovative Charakter des Projekts.
Kürzlich wurden die Genehmigungsunterlagen für den Netzbooster Kupferzell beim Regierungspräsidium Stuttgart zur Vollständigkeitsprüfung eingereicht. Im weiteren Genehmigungsverfahren wird die Öffentlichkeit beteiligt. Die Bauarbeiten sollen 2024 beginnen, 2025 soll die Anlage dann in Betrieb genommen werden.
Weiterführende Informationen
- Mehr Informationen zum Netzbooster-Projekt finden Sie auf dem Webportal von TransnetBW: www.transnetbw.de
- Detailliertere Informationen zur Funktion der Netzboostertechnik und ihrer Rolle in der Netzführung von morgen gibt es in englischer Sprache auf der Webseite von Fluence Energy: https://blog.fluenceenergy.com