Mit einem Kostenanteil von fast 40 Prozent ist die Batterie die teuerste Einzelkomponente in einem modernen Elektroauto. Für ihre Produktion braucht es große Mengen an wertvollen Rohstoffen wie Nickel oder Lithium. Batterien für Elektroautos halten in der Regel viele Jahre und bringen über hohe Kilometerzahlen und die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs verlässlich ihre Leistung. Spätestens bei der anstehenden Verschrottung des Fahrzeugs stellt sich aber die Frage nach einem Batterie-Recycling oder einer Weiterverwendung des Akkus.
Weiterverwenden lohnt sich, denn es ist einfacher und kostengünstiger als derzeitige Recyclingverfahren. Zudem können die ausgemusterten E-Auto-Akkus immer noch eine beträchtliche Menge an Energie speichern. Vor allem, wenn man mehrere von ihnen zu einem großen, stationären Stromspeicher zusammenschaltet. Diese können beispielsweise Strom aus Solar- und Windparks speichern und fungieren als „Puffer“ zwischen Erzeugung und Verbrauch. Sie helfen die erneuerbaren Energien ins Stromnetz zu integrieren und sorgen für eine sichere Energieversorgung – auch dann, wenn Sonne und Wind mal Pause machen. Wie Second-Life-Batterien heute schon genutzt werden, zeigen die folgenden Beispiele:
Auf dem Betriebsgelände des EnBW-Heizkraftwerks in Heilbronn haben Audi und EnBW einen Batteriespeicher aus ausgemusterten Elektroauto-Batterien errichtet. Die Akkus stammen aus einer Testflotte des Audi-Elektro-Fahrzeugs „e-tron“ und verfügen noch über hohe Kapazitäten. „In der Regel haben die Batterien eine deutlich längere Lebensdauer als die Fahrzeuge selbst“, erklärt Daniel Bahro, Manager Recycling und Second Use Batteriesystemlösungen bei der EnBW.
In einem Container des Stromspeichers sind mehrere der Elektroauto-Akkus miteinander verbunden. Das Innere eines Containers gleicht einem Schubladenschrank oder einem Regal. Jeder Akku hat hier seinen festen Platz, wird per Gabelstapler in den Container gehoben und lässt sich bei Bedarf schnell wieder abklemmen und ersetzen – etwa dann, wenn seine Leistungskapazität endgültig erschöpft ist.
Intern bezeichnet das Projektteam von Audi und EnBW den Referenzspeicher in Heilbronn auch gerne scherzhaft als „Seniorenheim für Autoakkus“, so Bahro. Am Ende ihres anstrengenden „Berufslebens“ als Energiezentrale eines Fahrzeugs sei den Batterien hier ein vergleichsweise entspannter Lebensabend sicher: „Die Beanspruchungen sind hier nicht mehr so hoch wie im mobilen Einsatz, wo beim Beschleunigen viel Energie sehr schnell fließen muss“, erklärt der Experte. Trotzdem sind auch die gebrauchten Batterien noch stark – vor allem im Verbund: Zwölf in einem Container zusammengeschaltete „Oldie-Akkus“ bringen es immerhin auf eine Gesamtleistung von rund einem Megawatt (MW) – das reicht, um zumindest kurzfristig einige Hundert Haushalte gleichzeitig mit Strom zu versorgen, bis die Batterien entladen sind.
Viele miteinander verbundene Container ergeben noch weitaus höhere Leistungen, wie das Projekt in Rot an der Rot zeigt. Der Solarpark Rot an der Rot der EnBW wird mit zwei Second-Life-Batteriespeichern aus gebrauchten Elektrofahrzeugbatterien ausgestattet. Die Inbetriebnahme ist für 2025 geplant. Die Speicher haben zusammen eine Kapazität von 2,4 Megawattstunden. Wird viel erneuerbare Energie erzeugt, aber wenig verbraucht, kann der Strom im Speicher „zwischengeparkt“ werden. Ist der Bedarf höher als die Erzeugung, wird die Energie wieder ans Netz abgegeben. Das stabilisiert das Stromnetz und erleichtert die Integration von Photovoltaik- und Windkraftanlagen.
Noch mehr Potenzial entfalten gebrauchte Elektroauto-Batterien, wenn sie mit anderen Batterie-Lösungen kombiniert werden. Im Solar- und Windpark Gundelsheim entsteht eine solcher Hybridspeicher: er hat eine Speicherkapazität von 2,25 MWh und kombiniert ein Natrium-Ionen- mit einem Second-Life-Lithium-Ionen Batteriesystem aus gebrauchten Fahrzeugbatterien.
Entwickelt wurde das innovative Speichersystem gemeinsam mit dem Fraunhofer ISE im Rahmen des Forschungsprojekts ResHy. Ziel ist es, eine umweltfreundlichere und leistungsfähigere Hybridbatterie aus beiden Technologien zu entwickeln. Die Forscher kombinieren dazu die Vorteile beider Systeme – die schnelle Lade- und Entladefähigkeit der Lithium-Ionen-Batterien sowie die hohe Kapazität der Natrium-Ionen-Batterien.
Im Rahmen des Projekts werden die beiden Batterietechnologien unter realen Betriebsbedingungen auf ihre Leistungsfähigkeit und ihr Alterungsverhalten hin untersucht, um sie dann für eine bestmögliche Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu optimieren. Außerdem arbeiten die Projektpartner an einer effizienten Steuerung des Energieflusses zwischen den beiden Batteriesystemen. Dies soll nicht nur die Leistung maximieren, sondern auch die Umweltbelastung und den Einsatz von seltenen und teuren Materialien reduzieren.
Deutschland setzt auf erneuerbare Energien – ihr Anteil am Bruttostromverbrauch soll bis 2030 auf 80 Prozent anwachsen. Dafür braucht es neben dem Netzausbau auch große Batteriespeicher, die den grünen Strom bei einem Überangebot zwischenspeichern und ihn erst bei Bedarf wieder ans Netz abgeben. Vor allem Großbatteriespeicher sind daher extrem wichtig für das Gelingen der Energiewende.
Bis 2030 soll die Speicherkapazität der Großbatteriespeicher um den Faktor 40 von derzeit 1,4 Gigawattstunden (GWh) auf 57 GWh ausgebaut werden. Second-Life-Batterien aus Elektroautos könnten laut Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF eine prognostizierte Gesamtkapazität von 15-20 GWh liefern. Damit wären allein durch wiederverwertete E-Auto-Batterien bis zu 35 % der Gesamtkapazität benötigter Großspeicher in Deutschland bzw. bis zu 67 % der Leistung abgedeckt.
Mit dem Beschluss der EU-Kommission ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zulassen, ist langfristig mit sehr hohen Batteriekapazitäten zu rechnen, die nach ihrer Nutzungsdauer im E-Auto für die Zweitnutzung als stationäre Speicher zur Verfügung stünden.
vollelektrische Fahrzeuge | Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge | |
2023 | 1.4 | 1.0 |
2024 | 2.1 | 1.4 |
2025 | 3.2 | 1.8 |
2026 | 4.7 | 2.2 |
2027 | 6.5 | 2.6 |
2028 | 8.6 | 2.9 |
2029 | 11.0 | 3.1 |
2030 | 13.4 | 3.2 |
Quelle: KBA/NOW
Doch wie können Second-Life-Batterien sinnvoll weitergenutzt werden? Dieser Frage geht das EU-Projekt Battery2Life EU-Projekt nach und arbeitet an ein Rahmenbedingungen zur effizienten Nutzung. Ziel ist es, bestehende Batteriedesigns zu optimieren und neue Grundlagen für die Erst- und Zweitnutzung zu entwickeln. Die Ergebnisse des Battery2Life-Projekts sollen nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt haben, sondern auch die europäische Wirtschaft stärken, weil der Übergang zu umweltfreundlicher Energie gefördert wird.
Einige neue Lösungen werden bereits in der Praxis getestet: In Österreich kommen Second-Life-Batterien in Heimspeicherlösungen zum Einsatz und in Griechenland werden sie in netzweiten Speicheranwendungen erprobt.
Das AIT Austrian Institute of Technology entwickelt im Rahmen des EU-Projekts außerdem ein neuartiges Batteriemanagementsystem (BMS). Das BMS basiert auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und unterstützt sowohl die Erst- als auch die Zweitnutzung von Batterien. Durch drahtlose Kommunikation und die Integration von Sensoren soll der Prozess der Demontage und des Wiederzusammenbaus optimiert und die Batteriesicherheit erhöht werden.