Windparks wirken positiv auf die Biodiversität
Windparks in Nord- und Ostsee leisten mit emissionsfreiem Strom einen immer wichtigeren Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Ihr Bau und Betrieb wird jedoch auch häufig mit vermeintlich negativen Umwelteinflüssen auf die Meeresbiologie und Vogelwelt in Verbindung gebracht. Die Erfahrungen der EnBW seit der Inbetriebnahme des ersten kommerziellen deutschen Offshore-Windparks EnBW Baltic 1 vor rund zehn Jahren sowie Studien renommierter Forschungsinstitute, Branchen- und Umweltverbände zeigen jedoch: Nach dem Bau zeigen sich in Windparks weniger die vermuteten negativen Einflüsse, sondern vielmehr viele positive Effekte auf die Tierwelt und die Biodiversität im Meer. Fischbestände etwa erholen sich, weil die Parks für die Fischerei tabu sind. Und die unter der Wasseroberfläche liegenden Bauteile der Windkraftanlagen bilden künstliche Riffe als Lebensraum für allerlei Tiere und Pflanzen.
Tierwelt: Die EnBW berücksichtigt fünf Schutzarten
Um den Ausbau der Windenergie auf See möglichst naturverträglich zu gestalten, ist die Realisierung neuer Windparks an die Einhaltung zahlreicher naturschutzrechtlicher Anforderungen gebunden. „Vorgeschrieben sind zielgerichtete Untersuchungen zur Naturverträglichkeit vor und während der Errichtung eines Windparks sowie in den ersten Betriebsjahren und in der Rückbauphase, um mögliche Einflüsse auf marine Säugetiere, Rast- und Zugvögel frühzeitig zu erkennen und Lösungen zu erarbeiten“, erläutert Lars Stuible, Manager für den Betrieb von Offshore-Windkraftanlagen bei der EnBW. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) verlange mit der sogenannten „Standard Untersuchung der Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt“ ein umfassendes Umweltmonitoring über jeweils mehrere Jahre in allen Phasen. „Die EnBW investiert immerhin rund eine Million Euro pro Jahr in Biomonitorings für ihre Offshore-Projekte“, so Stuible.
Die Untersuchungen umfassen fünf Schutzarten im Gebiet eines geplanten oder bereits realisierten Windparks sowie in einem benachbarten Meeresareal:
- Das so bezeichnete Benthos als Gesamtheit aller bodenbewohnenden Organismen,
- die Fischwelt,
- die Avifauna mit allen regional typischerweise vorkommenden Vogelarten,
- marine Säugetiere wie Schweinswale und Robben sowie
- Fledermäuse.
„Wir führen die gleichen Untersuchungen jeweils in einem nahegelegenen Referenzgebiet durch, um einen direkten Vergleich zwischen unberührter Natur und dem durch die Windparks dann veränderten Meeresgebiet zu haben“, erklärt Stuible.
Die Schutzarten im Check
Die Ergebnisse der Biomonitorings zeigen zum Teil bislang weniger bekannte, aber durchaus erfreuliche Nebeneffekte von Offshore-Windkraftanlagen auf die Unterwasserwelt. Vögel und Fledermäuse wiederum weichen den Anlagen aus.
Benthos
Ansiedlung neuer Arten am Fundament
Benthos: Ansiedlung neuer Arten am Fundament
Die Untersuchung des Benthos, der im Sediment des Meeresbodens lebenden Organismen, erfolgt durch Kratzproben, deren Auswertung eine genaue Artbestimmung der Ansiedlungen ermöglicht. „Wir haben beobachtet, dass bei vielen Arten die Population in Windparks steigt. An den Fundamenten etwa setzen sich zentimeterdick Miesmuscheln ab. Es entsteht ein künstliches Riff“, erklärt Stuible. Die Beobachtungen decken sich mit den Ergebnissen eines Forschungsprojekts des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung zu den benthosökologischen Auswirkungen von Offshore-Windenergieparks: Bereits 2013 berichteten die Wissenschaftler, dass die Fundamente aus Stahl und Beton den Lebensraum unter Wasser eher bereichern als einschränken. Denn sie stellten – ähnlich wie etwa Schiffswracks – ein künstliches „Hartsubstrat“ dar, welches die Ansiedlung von Organismen ermögliche, die im natürlichen Weichboden selten bis nie vorkämen. So wiesen die Forscher etwa an einer untersuchten Anlage eine erhöhte Population des Taschenkrebses nach.
Fische
Dorsche und Kabeljau breiten sich aus
Fische: Dorsche und Kabeljau breiten sich aus
Seit den 1980er Jahren gehen die Fischmengen in Nord- und Ostsee zurück. Viele Bestände sind überfischt. Damit sich die Fischpopulationen erholen können, gibt es in Nord- und Ostsee Schutzzonen, in denen das Fischen verboten ist. Umweltschützer halten sie jedoch noch für zu klein und plädieren für weitere Schongebiete sowie konsequentere Einschränkungen der Fischerei.
Da Windparks für die Schifffahrt sowie für den Fischfang gesperrt sind, wirken sie auf die Fischwelt ähnlich wie Schutzzonen. Mit anderen Worten: Die Fischwelt kann sie sich hier ungestört entfalten. Dorsche und Wittlinge etwa treffen am Fuße der Windparks auf gute Laichgründe und ausreichend Nahrung.
Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Seefischerei wiesen im Rahmen des zweijährigen Projekts „Offshore-Windparks im Kontext ökosystembasierter Raumplanung und Nutzung“ 2020 nach, dass sich auch der Kabeljau in Windparks offenbar wohlfühlt: „Kabeljau aggregiert sich an den Anlagen. Planktonfänge in Kombination mit Driftmodellen weisen auf Laichaktivitäten im Windparkgebiet hin“, heißt es im Abschlussbericht der Studie. Plankton bezeichnet die im Wasser umhertreibenden kleinen Pflanzen, Organismen und Tiere. Sogenannte Driftmodelle sind Vorhersageverfahren zur Simulation von Ausbreitungsprozessen im Meer. Für die Untersuchung analysierten die Wissenschaftler des Bundesforschungsinstituts auch den Mageninhalt von Kabeljau aus Windparks – mit der Erkenntnis, „dass das Nahrungsspektrum der Tiere aus dem Windpark sehr viel diverser ist als das der Tiere, die außerhalb des Windparks gefangen wurden“.
Vögel
Lassen sich nicht stören
Vögel: Lassen sich nicht stören
„Beim Thema Avifauna geht es in erster Linie um Rast- und Zugvögel“, erklärt EnBW-Experte Lars Stuible. „Ein Rastvogel ist beispielsweise die Möwe, ein Zugvogel etwa der Kranich.“ Von Flugzeugen und Schiffen aus sind für das Biomonitoring an mehreren Beobachtungspunkten in einem bestimmten Gebiet die vorkommenden Vogelarten und -mengen zu erfassen. Dies geschieht mit Fotoaufnahmen und Sicht- und Rufbeobachtungen. „Dabei ist vor allem auch die Flughöhe interessant“, so Stuible.
Das Vorurteil des „Vogelhäckslers auf See“ bestätigen die Untersuchungen nicht. „Wir sehen, dass Windparks durchaus Hindernisse darstellen, von den Vögeln aber überflogen werden. Das zeigt sich auch daran, dass wir keine toten Vögel auf unseren Fundamenten finden oder im Wasser treiben sehen. Das würden wir mitbekommen, wir sind ja jeden Tag vor Ort“, erklärt Stuible. Große Schwärme von Zugvögeln weichen den Anlagen EnBW Baltic 1 und EnBW Baltic 2 aus, wie seit Jahren zu beobachten sei. „Deshalb müssen wir dort auch keine vorübergehenden Abschaltungen – etwa mit Hilfe von Radarerfassungen des Vogelzugs – vornehmen.“
Eigene Untersuchungen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bestätigen, dass die Kollisionsgefahr für Seevögel gering ist und ziehende Vogelarten Windparks ausweichen. 2018 veröffentlichte das Offshore Renewables Joint Industry Programme (ORJIP) Ergebnisse aus der weltweit umfassendsten und technisch aufwendigsten Untersuchung des Verhaltens von Seevögeln und des Kollisionsrisikos mit Offshore-Windparks. Ergebnis: Das Ausweichverhalten der Vögel ist höher als häufig vermutet. Während der zweijährigen Untersuchungszeit beobachteten die beteiligten Wissenschaftler in einem Windpark vor der Küste Großbritanniens nur sechs Kollisionen – das entspricht 0,05 Prozent aller dort aufgezeichneten Flugbewegungen.
Schweinswale
Blasenringe verringern Lärm beim Bau
Schweinswale: Blasenringe verringern Lärm beim Bau
Bei marinen Säugetieren wie unter Artenschutz stehenden Schweinswalen, Robben und Seehunde gehören ebenfalls schiffs- und flugzeugbasierte Zählungen vor, während und nach Errichtung einer Offshore-Windkraftanlage zum Biomonitoring – ergänzt durch Hydroschallmessungen, die Rufe und Laute der Tiere erfassen.
Speziell die Bauphase von Offshore-Windkraftanlagen, in der die Fundamente in den Meeresboden getrieben werden, stellt für die Unterwasserwelt eine Lärmbelästigung dar. Schall überträgt sich in Wasser viel besser als in der Luft. Säugetiere wie Schweinswale und Robben, aber auch Fische wie Dorsche nutzen Schall, um sich zu orientieren, Beute zu orten, zu kommunizieren oder Feinde wahrzunehmen. Zum Schutz der Tiere gilt deshalb in deutschen Gewässern im Abstand von 750 Metern zur Baustelle eine Lärmbegrenzung.
Der übermäßigen Schallentwicklung und -ausbreitung wirkt die EnBW mit Blasenschleiern entgegen – einer relativ simplen, aber sehr wirksamen Methode. „Stellen Sie sich das wie einen großen Gartenschlauch mit vielen Löchern vor, der auf dem Meeresboden rund um die Baustelle verankert ist und in den wir Luft blasen“, erklärt Stuible. „Die Luftblasen steigen wie in einem Whirlpool nach oben an die Meeresoberfläche, verändern dabei die Dichte des Wassers und brechen Schallwellen.“ Der Effekt: Der Baulärm kann sich nicht mehr ungehindert rund um die Baustelle ausbreiten, er wird hierdurch abgeschwächt.
„Bei EnBW Baltic 2 haben wir einen doppelten Blasenring eingesetzt, um den Effekt noch weiter zu steigern“, so Stuible. „Trotzdem bleibt natürlich Lärm übrig, der aus unserer Beobachtung aber keine langfristigen Auswirkungen auf die Population mariner Säugetiere wie Schweinswale rund um Offshore-Anlagen hat.“ Tiere, die vor dem Lärm aus den betroffenen Gebieten vorübergehend flüchteten, kehrten nach dem Ende der Bauarbeiten in der Regel zurück. Zu dem gleichen Ergebnis kommt eine 2016 veröffentlichte Studie im Auftrag des Offshore Forum Windenergie: Durch Offshore-Rammarbeiten seien keine messbaren Auswirkungen auf die Schweinswalpopulation in der deutschen Nordsee festzustellen.
In Zukunft lassen sich möglicherweise aber auch die temporären Störungen durch die Verankerungen der Fundamente im Meeresboden vermeiden. „Um den Lärm beim Bau von Fundamenten weiter zu reduzieren oder sogar völlig zu vermeiden, sind derzeit innovative Gründungsverfahren in der Erforschung“, weiß Stuible.
Fledermäuse
Zug wird nicht beeinflusst
Fledermäuse: Zug wird nicht beeinflusst
Wie bei Zugvögeln gilt es auch bei Fledermäusen, im Zuge des Biomonitorings von Offshore-Windkraftanlagen Erkenntnisse über die räumliche und zeitliche Verteilung von Zugwegen zu erlangen. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) bestätigt als Ergebnis einer Untersuchung zu migrierenden Fledermäusen, dass in Nord- und Ostsee während der Wanderungszeiten im Frühjahr und im Spätsommer erhöhte Aktivitäten von Fledermäusen zu verzeichnen sind. „Das Biomonitoring der EnBW-Anlagen in der Ostsee zeigt bei Fledermauszügen über fünf Jahre hinweg jedoch keinerlei Beeinträchtigungen“, bestätigt Stuible.
Windparks entwickeln sich zu Schutzräumen
Erfreuliches Resümee: Bei allen fünf Schutzarten der Meerestierwelt, bei denen mit einem umfassenden Biomonitoring mögliche Einflüsse festzustellen sind, haben sich keine negativen Auswirkungen durch die Errichtung und den Betrieb von Offshore-Windkraftanlagen der EnBW gezeigt. „Deshalb haben EnBW Baltic 1 und EnBW Baltic 2, unsere beiden langjährig in Betrieb befindlichen Windparks, bislang auch keinerlei zusätzliche Auflagen erhalten“, fasst Offshore-Manager Stuible zusammen.
Dass in Windparks durch „künstliche Riffe“ und den Fischereiausschluss neue, ungestörte Ökosysteme entstehen, ist ein erfreulicher Nebeneffekt. Das reichhaltige Nahrungsangebot in den neuen, veränderten Lebensräumen zieht Schweinswale, Robben und Fische an – die Windparks entwickeln sich so zu Schutzräumen, die der Artenvielfalt dienen.