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Ob im Haushalt oder im Auto – tiefe Töne sind überall

Mit Infraschall sind Schallwellen gemeint, die so tief sind, dass Menschen sie gar nicht hören können. Denn Infraschall liegt unterhalb der menschlichen Hörschwelle von 16 bis 20 Hertz. Die tieffrequenten Schwingungen sind Teil unserer Umwelt, sie stammen aus einer Vielzahl von natürlichen und technischen Quellen. So erzeugt etwa Wind Infraschall, wenn er böig oder verwirbelt ist. In Haushalten verursachen Geräte wie Kühlschrank, Waschmaschine und Heizung messbare Infraschallpegel. Und wer Auto fährt, ist laut Messungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg im Innenraum des Pkw einem relativ hohen Infraschalldruck in Höhe von 85 bis 110 Dezibel ausgesetzt.

Im Vergleich zu anderen technischen oder natürlichen Quellen sind Windenergieanlagen verhältnismäßig schwache Infraschallquellen. Trotzdem findet die Diskussion rund um das Thema Infraschall in der öffentlichen Debatte seit einigen Jahren fast ausschließlich im Zusammenhang mit Windkraftanlagen statt. Das liegt auch an der Studie „Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus dem Jahr 2005, die für reichlich Verunsicherung gesorgt hat.

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Studie zu Infraschall: Verrechnet um den Faktor 1.000

Dr. Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung an der Universität Bayreuth hat den Fehler in der BGR-Studie aufgedeckt (Foto: Universität Bayreuth).

Für die Studie hat die BGR damals Messungen an einer Windkraftanlage von Vestas des Typs V47 durchgeführt. Bei der Umrechnung des Drucksignals in einen Schalldruckpegel unterlief den Wissenschaftlern der BGR jedoch ein grober Rechen- und Normierungsfehler: Anstelle der korrekten Pegel der Schallintensität von 50 bis 70 Dezibel errechneten sie Pegel von mehr als 100 Dezibel. Da es sich beim Schalldruckwert Dezibel nicht um eine lineare, sondern um eine logarithmische Skala handelt, war der in der Studie veröffentlichte Wert eine Fehleinschätzung der Schallintensität um mehr als den Faktor 1.000. Jahrelang fiel der folgenschwere Irrtum nicht auf.

Aufgedeckt hat den Fehler schließlich Dr. Stefan Holzheu von der Universität Bayreuth. Im April 2020 wies er die Behörde auf den Rechenfehler hin – ohne Reaktion zunächst.

Im Januar 2021 äußerte die BGR sich dann öffentlich, im engen Austausch mit anderen Institutionen zu stehen. So habe die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig bestätigt, dass der vom BGR publizierte Schalldruckpegel korrekt sei. Im April 2021 dann die Wende: Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier entschuldigte sich öffentlich für den Rechenfehler der ihm unterstellten Behörde.

„Es tut mir sehr leid, dass falsche Zahlen über einen langen Zeitraum im Raum standen“, sagte Altmaier damals in Berlin. Die Akzeptanz von Windanlagen an Land habe „ein Stück weit“ unter den falschen Berechnungen gelitten. Es sei zu hoffen, dass Menschen, die sich große Sorgen über die Auswirkungen der Infraschallbelastung auf ihre Gesundheit machen, nun „eine gewisse Erleichterung“ verspürten.

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Windkraftgegner bleiben bei Behauptungen

„Eigentlich bestand bereits seit vielen Jahren Konsens in der Wissenschaft, dass Windenergieanlagen keinen nennenswerten Beitrag zur Infraschallbelastung leisten“, so Wissenschaftler Holzheu im Interview zum Berechnungsfehler beim Infraschall von Windkraftanlagen. „Doch die hohen vom BGR publizierten Pegel und insbesondere auch die BGR-Beteiligung an einer ZDF-Dokumentation über vermeintlich gesundheitsschädlichen Infraschall aus Windkraftanlagen gaben Windenergiegegnern immer wieder Anlass, an diesem wissenschaftlichen Konsens zu zweifeln.“ Dabei sei der gemessene Infraschall von Windenergieanlagen, anders als von Windkraftgegnern oft mit Verweis auf die BGR-Studie behauptet, weder gefährlich noch in irgendeiner Weise schädlich.

Inzwischen hat die BGR die Studie zurückgezogen und eine Überarbeitung angekündigt. Bei wie vielen Windkraftprojekten der Verweis auf denkbare Gesundheitsschäden durch Infraschall die Akzeptanz der Bevölkerung geschmälert hat, lässt sich vermutlich nicht mehr nachvollziehen. Noch ist der jahrelang kolportierte Schallpegel aus der BGR-Studie nicht überall korrigiert, wo öffentlich über Infraschall aus Windkraftanlagen diskutiert wird. Aber auch dort, wo der falsch berechnete Wert keine Erwähnung mehr findet, ist der Weg für eine faktenbasierte Diskussion noch lange nicht frei: Wissenschaftler Holzheu beobachtet, dass einige Anti-Windkraft-Initiativen weiterhin gesundheitliche Einflüsse behaupten und sich dabei auf Leiden von Menschen in Nähe von Windkraftanlagen berufen. Ganz nach dem Motto: Haben Windparkanwohner ständig Kopfschmerzen oder andere Symptome, muss es an den Windkraftanlagen im direkten Umfeld liegen.

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Keine Beeinträchtigungen für Menschen dokumentiert

„Die gesundheitlichen Leiden der Menschen sind tatsächlich real“, so Holzheu. „Nur ist die Ursache nicht Infraschall, diese Kausalität lässt sich nicht herstellen.“ Infraschall von Windenergieanlagen sei viel zu schwach, um irgendwelche negative Effekte beim Menschen auszulösen. „Das bestätigen auch viele internationale wissenschaftliche Studien.“ Als wahrscheinlichster Auslöser für die Beschwerden mancher leidender Windparkanwohner gelte in der Wissenschaft der sogenannte Nocebo-Effekt, erklärt Holzheu: Der Nocebo-Effekt ist quasi das Gegenteil vom bekannten Placebo-Effekt. Der Placebo-Effekt beschreibt die lindernde oder heilende Wirkung eines Medikaments, das keinen Wirkstoff enthält. Beim Nocebo-Effekt erwarten Menschen dagegen keine positive Wirkung, sondern negative gesundheitliche Einflüsse. Diese subjektiven Befürchtungen können dann das Stressempfinden und die Unzufriedenheit so signifikant erhöhen, dass die negativen Erwartungen im Extremfall tatsächlich psychosomatische Erkrankungen auslösen. „Die Ursache vorhandener Leiden ist hier dann also eher die Angst vor Infraschall von Windkraftanlagen“, meint Holzheu. Diese Angst sei angesichts des tatsächlich niedrigen Schalldrucks, der von Windkraftanlagen ausgehe, völlig unbegründet. Auch beim Infraschall, den Kühlschränke, Heizungen sowie Auto- oder Bahnfahrten verursachen, sind keine Beeinträchtigungen von Menschen dokumentiert.

Schlaflabor-Studie: Windturbinen-Syndrom nicht nachweisbar

Dass Infraschall rund um Windkraftanlagen keine gesundheitlichen Auswirkungen auf direkte Anwohner hat, zeigt auch eine aktuelle Studie des Woolcock Institute of Medical Research in Australien. Die Wissenschaftler*innen haben Testpersonen im Schlaflabor drei Tage lang einem Level an Infraschall ausgesetzt, das höher lag als das eines Windparks mit acht Windturbinen in einer Entfernung von 335 Metern.

Unter diesen oder ähnlichen Bedingungen brachten Anwohner und Bürgerinitiativen in den vergangenen Jahren immer wieder das sogenannte Windturbinen-Syndrom (WTS) als Krankheitsbild ins Spiel. Dieses WTS fasst von Menschen im Zusammenhang mit Windkraftanlagen berichtete Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl oder Schlafstörungen zusammen.

In der australischen Laborstudie konnten die Wissenschaftler*innen bei 37 gesunden, „lärmempfindlichen“ Erwachsenen keinen Unterschied zu einem Umfeld ohne Infraschall ausmachen. Der Windturbinen-Infraschall löste keine Schlafstörungen aus. Auch die Funktionen des Gehirns und des Herz-Kreislauf-Systems sowie die psychische Gesundheit blieben unbeeinflusst. Berichtete Symptome seien – wie auch durch frühere Studien belegt – auf den sogenannten Nocebo-Effekt zurückzuführen.

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Hohe Mindestabstände von Windrädern unbegründet

Unmittelbare politische Konsequenzen hatte die fehlerhafte BGR-Studie bislang nicht. „Indirekt könnte und sollte die Korrektur aber durchaus Auswirkungen auf die Mindestabstandsdiskussion haben“, so Holzheu. Denn das einzige Argument, das Windkraftgegner für einen über Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) hinausgehenden Mindestabstand vorbringen konnten, sei Infraschall gewesen. „Wenn Politiker trotzdem weiterhin solche Abstände festsetzen, tun sie das ohne Begründung.“

In Bayern etwa verhindert die sogenannte 10H-Regelung bislang das Errichten von Windkraftanlagen in der Nähe von Wohnbebauungen. Die Regelung sieht vor, dass im Umkreis der zehnfachen Höhe des Windrades keine Wohnhäuser stehen dürfen. Windräder der neuesten Generation, wie sie auch die EnBW errichtet und betreibt, weisen jedoch eine Gesamthöhe von bis zu 240 Metern auf. Dies bedeutet, dass sich im Umkreis von 2,4 Kilometern keine Wohnhäuser befinden dürfen – ein Hemmschuh für den dringend benötigten Ausbau der erneuerbaren Energien.

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