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Ein Acker weckt Begehrlichkeiten: Kooperation statt Flächenkonkurrenz

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An landwirtschaftlichen Acker- und Nutzflächen haben mehrere unterschiedliche Parteien Interesse: Die Landwirte brauchen Ackerland zum Anbau von Getreide, Obst und Gemüse; Politik und Energieunternehmen würden auf diesen freien und sonnenbeschienenen Flächen gerne Solarparks bauen und Strom erzeugen. Neu ist die Idee einer Doppelnutzung nicht, aber in Zeiten knapper Flächen immer sinnvoller. Das ist auch der Grund, warum die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 und das kürzlich verabschiedete Solarpaket der Bundesregierung diese Doppelnutzung fördert.

Warum Agri-PV sinnvoll für die Energiewende ist

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Eine Agri-Photovoltaik-Anlage über Apfelbäumen in Kressbronn am Bodensee. (Quelle: Fraunhofer ISE)

Im Jahr 2023 lag der Bruttostromverbrauch in Deutschland bei knapp 517 Terawattstunden (TWh). Zum Vergleich: Das entspricht dem Stromverbrauch von rund 140 Millionen 4-Personen-Haushalten. Allerdings rechnet die Bundesregierung mit einem steigenden Bedarf. Gründe sind die zunehmende Elektromobilität, ein höherer Strombedarf zu Heizzwecken, aber auch die wachsende Digitalisierung und Elektrifizierung von Haushalten. Bis zum Jahr 2030 soll der Bruttostromverbrauch dennoch zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt sein. Agri-PV kann eine Option sein, den Anteil an grüner Energie zu steigern und das 200-GW-Ausbauziel für Solarenergie bis 2030 zu erreichen.

Wie funktioniert Agri-PV?

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Aufbau einer Agri-PV-Anlage

Bei der Agri-Photovoltaik wird die landwirtschaftliche Anbaufläche gleichzeitig für beides genutzt: Zum Anbau von Nahrung und zur Erzeugung von Strom. Dabei werden Photovoltaikmodule zwischen oder über den Anbauflächen errichtet. Die Aufständerung der Module erfolgt so, dass eine maschinelle Bearbeitung der Fläche trotzdem möglich ist.

Sonnenschutz für den Apfel: Das sind die Vorteile

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Es gibt wohl kaum einen anderen Wirtschaftszweig, der in gleichem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist wie die Landwirtschaft. Umso mehr kann diese von einer Doppelnutzung der Ackerflächen durch Agri-PV profitieren:

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  • Besserer und höherer Ertrag: Vor allem in zunehmenden Trockenperioden lassen sich Ernteausfälle reduzieren oder ganz vermeiden. Der Bewässerungsbedarf sinkt durch die Teilverschattung der Pflanzen, die Winderosion nimmt ab. Die PV-Unterkonstruktion kann außerdem für Schutznetze oder -folien genutzt werden oder diese sogar ersetzen. Die Resilienz des Obst- und Gemüseanbaus gegenüber Hagel, Frost und Dürre steigt. Die Bodentemperatur wird positiv beeinflusst. Der Ertrag insgesamt kann gesteigert werden.
  • Verschiedene Einsatzmöglichkeiten: Mit dem jeweils passenden Montagesystem bietet Agri-PV viele Möglichkeiten landwirtschaftlicher Nutzung: vom Anbau von Sonderkulturen (wie Obst und Hopfen) und Ackerkulturen (Weizen, Kartoffeln) bis zur Beweidung.  
  • Stromkosten für die Landwirte sinken: Gerade tagsüber wird in der Landwirtschaft viel Energie benötigt, zum Beispiel für große Anlagen, Licht und Kühlung. Landwirte können mit der eigenen Solaranlage einen sehr großen Teil dieser benötigten Energie selbst produzieren und somit die Energiekosten des Betriebs reduzieren. 
  • Einnahmequelle: Der erzeugte Strom kann aber nicht nur vom Landwirt selbst genutzt werden, sondern durch Einspeisung oder Direktvermarktung auch anderen zugutekommen. Landwirte erhalten so eine zusätzliche Einnahmequelle von mehreren Tausend Euro pro Jahr.

Wie viel Potenzial gibt es in Deutschland für Agri-PV?

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Mit Agri-PV zur Energiewende

Im Jahr 2023 wurde in Deutschland eine Fläche von 16,5 Mio. ha für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse genutzt. Das sind knapp 50% der Gesamtfläche Deutschlands (Quelle: Umweltbundesamt). Laut einer neuen Studie des Ökoinstituts sind rund 4,3 Mio. ha davon als besonders geeignete Flächen für Agri-PV identifiziert worden.

Experten schätzen aber, dass schon die Nutzung von einem Prozent der Agrarflächen für Agri-PV einen großen Beitrag zur Energiewende leisten kann; insbesondere in Kombination mit der vermehrten Installation von PV-Anlagen auf Dächern, an Gebäuden und rund um Verkehrswege.

Welche Herausforderungen gibt es?

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Bei allen unbestrittenen Vorteilen, die die Integration von Agri-PV-Anlagen in landwirtschaftliche Betriebe hat, gibt es allerdings auch Herausforderungen.

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  • Langfristige Studien fehlen: Bislang gibt es noch keine belastbare Datenbasis, die belegt, wie sich die Aufständerung der Solarpanel-Module auf die Eigenschaften der Nutzpflanzen auswirkt. Die Forschung sollte, um aussagekräftig zu sein, wetterbedingt auf eine Dauer von zehn Jahren anlegt werden.
  • Rechtslage: Um eine PV-Anlage errichten zu können, muss meist eine Änderung des Flächennutzungsplans beantragt werden. Dieses Verfahren ist langwierig und für die Landwirte mit Kosten verbunden. Außerdem ändert sich dadurch der Charakter der Ackerflächen, die dann keine landwirtschaftlichen Flächen mehr sind. In welcher Weise dies künftig vereinfacht werden kann, ist derzeit in der Politik in Klärung.
  • Hohe Investitionen: Die Unterkonstruktionen sind an die jeweiligen Gegebenheiten des landwirtschaftlichen Betriebs anzupassen. Zudem müssen die Module, anders als herkömmliche PV-Module, semitransparent sein, um Licht zu den Pflanzen durchzulassen. Das macht Agri-PV-Anlagen teurer als herkömmliche PV-Anlagen. 

Was kostet eine Agri-PV-Anlage?

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Konventionelle Freiflächen-Solaranlage der EnBW in Leutkirch (Quelle: EnBW)

Die Anschaffungskosten einer Agri-PV-Anlage liegen in der Regel über denen einer konventionellen Freiflächenanlage und setzen sich aus verschiedenen Einzelposten zusammen: den Solarmodulen, der Unterkonstruktion und der Installation. Die Preise für die einzelnen Posten variieren, zum Beispiel wenn die Standardmodule angepasst werden müssen, etwa weil die darunter wachsenden Pflanzen größer sind (wie Hopfen). Gleiches gilt für die Unterkonstruktion und die Installation.

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Drei Einnahmequellen für Agri-PV

Um Solarstrom aus Agri-PV zu vermarkten, stehen im Prinzip drei mögliche Wege offen: Ab einer Anlagengröße von 101 kW ist die Direktvermarktung erforderlich. Dazu muss der Landwirt mit einem Direktvermarkter zusammenarbeiten, der den überschüssigen Strom an der Strombörse verkauft.

Anlagen bis 100 kW können den Strom ins Netz einspeisen (Vergütung: Bis 40 kW: 7,5 ct/kWh Einspeisevergütung für den über zehn Kilowatt hinausgehenden Anlagenteil, Vergütungsdauer: 21 Jahre).

Die dritte Vermarktungsmöglichkeit ist die Verpachtung der Agri-PV-Dachflächen an einen externen Investor. Dafür erhält der Landwirt nur eine relativ kleine Pacht, allerdings hat er auch keine Investitions- oder Betriebskosten zu stemmen.

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Wird Agri-PV gefördert?

Der Staat fördert Agri-PV-Anlagen auf verschiedene Weise:

  • Grundsätzlich sind nach dem EEG (Erneuerbare Energien Gesetzes) 2023 Agri-PV-Anlagen auf allen Acker-, Dauerkultur- und Grünlandflächen förderfähig (Moorböden und Naturschutzgebiete sind dabei ausgenommen).
  • Agri-PV-Anlagen werden baurechtlich privilegiert, was die Genehmigungsverfahren erleichtert.
  • Bei Ausschreibungen werden die Höchstgebotswerte gesetzlich erhöht, um höhere Baukosten auszugleichen.
  • Agri-PV-Anlagen mit einer Nennleistung von weniger als 1 MW (6 MW im Falle von Bürgerenergiegenossenschaften) sind komplett von der Ausschreibungspflicht befreit.
  • Die höheren Kosten bei hoch aufgeständerten Agri-PV-Anlagen werden durch den Technologiebonus zumindest teilweise ausgeglichen.
Größtes Agri-PV-Wind-Projekt Europas startet

Auch in anderen Ländern, wie in unserem Nachbarland Österreich, hat man das Potenzial von Agri-PV erkannt: Im sonnenreichen Burgenland entsteht in den kommenden Jahren die größte hybride Agri-PV-Wind-Anlage der Welt. Auf einer Fläche von 180 ha wird ein Solarpark gebaut, der eine mögliche Leistung von 164 MW erzeugen wird. Die Anlage soll hochmoderne schwenkbare PV-Module erhalten und so nicht nur Sonnenstrom, das “Gold des Burgenlandes”, ernten, sondern auch die darunter wachsenden Kartoffeln, Beeren und Bio-Kichererbsen optimal gedeihen lassen.

Mehr Informationen zum Projekt

Stand der Dinge: Agri-PV in Deutschland und der Welt

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In Deutschland gibt es aktuell eine installierte Agri-PV Leistung von 14 Megawatt. Im April 2024 einigte sich die Ampelkoalition auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Einer der Kernpunkte war ein Maßnahmenpaket, das den Ausbau der Solarenergie in Deutschland beschleunigen soll. Das sogenannte Solarpaket beinhaltet unter anderem erweiterte Möglichkeiten für Solaranlagen auf Äckern und Feldern. Gute Bedingungen also für einen weiteren Ausbau der Agri-PV in Deutschland.

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Baden-Württemberg ist Agri-PV-Musterland

Unter der Agri-PV-Anlage im baden-württembergischen Heggelbach gedeihen unter anderem Winterweizen und Kartoffeln (Quelle: Fraunhofer ISE)

Baden-Württemberg ist auch bei der Agri-PV ein echtes Musterländle und verzeichnete im vergangenen Jahr einen enormen Zuwachs an Agri-PV-Anlagen. Ein Grund dafür ist sicher, dass das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) Baden-Württemberg zur “Modellregion Agri-Photovoltaik" erkoren hat und viele Projekte hier ansiedelt. Dabei gelangten die Forschenden bereits zu spannenden Ergebnissen: So scheint der Stromertrag höher zu sein als ursprünglich angenommen. Eine Ursache könnte ein positiver Kühlungseffekt der PV-Module durch die Pflanzen sein. Das würde bedeuten: Nicht nur profitieren die Pflanzen von der Verschattung und dem Unwetterschutz durch die Anlagen, auch die Anlagen arbeiten besser als erhofft durch die Pflanzen. Also auch hier: Win-Win auf allen Feldern.

Agri-Photovoltaik – eine deutsche Erfindung

Bereits 1981 hat der Gründer des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE, Prof. Adolf Goetzberger den geringeren Flächenverbrauch beschrieben und darauf hingewiesen, dass nicht alle Pflanzen immer „volle Sonne“ brauchen. Seine gemeinsam mit Armin Zastrow entwickelte Idee der Agri-Photovoltaik stand später zur Patentierung an. Unter all den Photovoltaik-Anwendungen birgt die Agri-PV das höchste Potenzial.

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