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Auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft steht die deutsche Industrie vor der Herausforderung, nach und nach auf CO₂-intensive Energieträger wie Erdöl oder Kohle verzichten zu müssen. Bei der Transformation gilt grüner Wasserstoff für viele Unternehmen als Schlüsselelement, kann der Energieträger doch sauber verbrannt werden. Die Hemmnisse: Noch sind Produktion, Speicherung und Transport von grünem Wasserstoff sehr forschungs- und kostenintensiv – und Deutschland kann seinen eigenen Bedarf nicht selbst decken. In Zukunft wird daher der Import aus Ländern mit starkem Wind und viel Sonne eine bedeutende Rolle spielen.

Das Ziel: eine zuverlässige Wasserstoffversorgung

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Mit dem Fortschreiben der Nationalen Wasserstoffstrategie hat sich die Bundesregierung 2023 ambitionierte Ziele gesetzt. Neben dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur sowie einer gesonderten Importstrategie will sie unter anderem auch den Markthochlauf von Wasserstoff und seinen Derivaten fördern. Derzeit kommen laut Einschätzung von Expert*innen in der deutschen Industrie lediglich 1 bis 2 Prozent grüner Wasserstoff zum Einsatz, in Zukunft aber wird er deutlich an Bedeutung zunehmen und auch den Erdgasanteil im Energiemix ersetzen. Deutschland hat sich gesetzlich dazu verpflichtet, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Dann soll grüner Wasserstoff den Bedarf zu 100 Prozent decken.

Allroundtalent Wasserstoff

Bisher findet Wasserstoff hauptsächlich Anwendung in der chemischen Industrie, beispielsweise bei der Produktion von Stickstoffdüngemitteln, in Erdölraffinerien zur Veredelung von Rohöl und bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Doch Wasserstoff kann mehr: Als vielseitig einsetzbarer Energieträger in den Sektoren Stromerzeugung, Wärmemarkt, Industrie und Mobilität birgt das Allroundtalent erhebliche Potenziale. Mehr darüber im ECO*Journal-Beitrag Wasserstoff ist ein Eckpfeiler der Energiewende.

Herausforderung Henne-Ei-Problem

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Damit grüner Wasserstoff künftig in großem Maße zur Verfügung stehen kann, müssen Elektrolyseure konstruiert und Transportnetze geschaffen werden. Dabei hat das junge Geschäftsfeld mit einem klassischen Henne-Ei-Problem zu kämpfen: Bevor Unternehmen ihre Prozesse auf den neuen Energieträger umstellen, möchten sie wissen, ob er in ausreichender Menge vorhanden sein wird und welche Kosten sie erwarten. Die Produzenten wiederum halten sich zurück, weil sie noch unsicher sind, ob sich ihre Investitionen in Technologie und Infrastruktur lohnen.

H2Global: Doppelauktionsmechanismus als Trigger

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Einen Ausweg aus dem Investitionsdilemma hat H2Global gefunden, eine Non-Profit-Stiftung, die von zahlreichen Akteuren aus der Energiebranche – darunter auch die EnBW-Tochter VNG – unterstützt wird. Ihre Gründer Markus Exenberger und Timo Bollerhey haben den sogenannten Doppelauktionsmechanismus entwickelt: Die H2Global-Tochter Hintco schließt über weltweit ausgeschriebene Auktionen mit Produzenten von grünem Wasserstoff Zehn-Jahres-Verträge ab. Die Lieferungen werden dann über Ein-Jahres-Verträge an Unternehmen auch in Deutschland versteigert. Die dabei zunächst noch entstehende Preisdivergenz zwischen Angebot und Zahlungsbereitschaft wird vom deutschen Staat subventioniert. „Wir wollen nicht den gesamten Markt abdecken, sondern den Handel antriggern“, sagt Gründer Exenberger in einem Podcast der Deutschen Welle. „Wir wollen Preissignale senden, Risiken rausnehmen und dafür sorgen, dass erste Investitionsentscheidungen getroffen werden können.“ Eine Lösung, die so gut ankommt, dass H2Global inzwischen auch ein wichtiger Akteur bei der derzeit entstehenden Europäischen Wasserstoffbank ist. Die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Leben gerufene Initiative soll Investitionslücken schließen und sowohl die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff in der EU als auch entsprechende Importe erleichtern.

Voraussichtliche Enwicklung des Wasserstoffmarktes*

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Diagramm EEX Wasserstoffmarkt

* basierend auf existierenden Informationen und bereits bekannten Geschäftsmöglichkeiten der EEX-Gruppe. (Quelle: EEX)

HYDRIX: Wasserstoff-Index als Orientierung für den Markt

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Noch ist es ein langer Weg, bis grüner Wasserstoff wie Strom und Gas auf dem freien Markt gehandelt werden wird. Einen ersten großen Schritt zum Markthochlauf stellt der Wasserstoffindex HYDRIX der Energiebörse EEX dar. Im Frühjahr 2023 im Rahmen der Energiefachmesse E-World erstmals veröffentlicht, soll er den Marktteilnehmern als Orientierung dienen. Der HYDRIX ist der erste und einzige marktbasierte Wasserstoffindex, der sowohl die kommerziell angebotenen Preise auf der Anbieterseite als auch die Zahlungsbereitschaft der Kunden für Wasserstoff berücksichtigt. „Es ist wichtig, dem Markt von Anfang an einen Referenzwert für grünen Wasserstoff zur Verfügung zu stellen“, sagt Sirko Beidatsch, der als Experte bei der Energiebörse EEX maßgeblich an der Entwicklung des Wasserstoffindex mitgewirkt hat. „Nur so können Produzenten in Spanien, Australien oder Chile ein Gefühl dafür bekommen, was sie mit Wasserstoff in Deutschland verdienen können.“ So dient der HYDRIX unter anderem auch den Teilnehmern der H2Global-Auktionen als Orientierung. Derzeit findet die Auswertung der ersten Angebote für die Zehn-Jahres-Verträge statt. Die EEX hat außerdem eine Plattform entwickelt, die zukünftig staatlichen als auch privatwirtschaftlichen Akteuren die technische Umsetzung von Verkaufsauktionen und anderen Handelsformaten für Wasserstoff und dessen Derivate ermöglichen soll. Als erster Teilnehmer wird die Hintco, die Handelstochter von H2Global, ab 2024 den Abverkauf der importierten Wasserstoffmengen über diese Handelsplattform durchführen. „Die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sind da, unser Index kommt als wirtschaftlicher Indikator dazu,“ sagt Beidatsch. „Jetzt kann es losgehen im grünen Wasserstoffmarkt.“

Im Gespräch mit Sirko Beidatsch, Experte bei der Energiebörse EEX

„Der Veränderungsdruck ist hoch – aber auch die Investitionsbereitschaft“

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Sirko Beidatsch ist bei der European Energy Exchange AG als Marktexperte und Geschäftsentwickler für den Handel von Erdgas, Wasserstoff, Wasserstoffderivaten, Herkunftsnachweisen und assoziierten Produkten zuständig.

Herr Beidatsch, welche Rolle spielt Deutschland auf dem Wasserstoffmarkt?

Glaubt man der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, werden wir hierzulande künftig zirka 70 bis 80 Prozent des Wasserstoffbedarfs über Importe decken. Das macht Deutschland weltweit zu einem der interessantesten Märkte. Die meisten der hiesigen Marktteilnehmer nutzen noch grauen Wasserstoff aus fossilen Energien. Der Veränderungsdruck ist hoch – aber auch die Investitionsbereitschaft. Deswegen schauen viele Produzenten aus Ländern wie Spanien, Portugal, Australien oder Chile gerade ganz genau hin, was bei uns passiert.

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Wie kann die EEX als etablierte Energiebörse den Markthochlauf unterstützen?

Wasserstoff ist ein sehr junger Zweig der Energiebranche, in der sich viele Pionierunternehmen noch gar nicht kennen. Wir haben im Strom- und Gasbereich langjährige Beziehungen zu Unternehmen, die auch im Wasserstoffbereich tätig werden wollen. Wir bringen die Akteure zusammen. Denn Wasserstoff kann nur Erfolgsgeschichte schreiben, wenn Produktion, Transport und Vermarktung als Ganzes gedacht werden.

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Im Mai hat die EEX erstmals den Wasserstoff-Index HYDRIX veröffentlicht? Welche Bedeutung hat er für die Branche?

Wir konzentrieren uns mit dem Index auf Akteure, die im Bereich grüner Wasserstoff tätig sind. Diese Unternehmen sind gerade dabei, in die Infrastruktur zu investieren, beispielsweise um Elektrolyseure oder Pipelinenetze zu bauen, oder auch Importverträge für den Wasserstofftransport abzuschließen. Für sie ist es enorm wichtig, die Zahlungsbereitschaft zu kennen. Derzeit spiegelt der HYDRIX nur den deutschen Raum wider. Perspektivisch kann er aber für ganz Europa Orientierung geben.

Mehr zum Thema Marktstart für grünen Wasserstoff gibt es im gleichnamigen Podcastbeitrag der Deutschen Welle.

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