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Grüner Wasserstoff (H₂) gilt als Schüsselelement für die Energiewende. Das Gas erzeugt bei der Produktion und beim Verbrennen praktisch keine klimaschädlichen Emissionen: Das macht grünen Wasserstoff zur nachhaltigen Alternative zu Kohle, Öl und Erdgas. Allein in Baden-Württemberg werden 2040 rund 90 Terawattstunden (TWh) der Zukunftsenergie benötigt. Das ergab eine Auswertung der Bedarfsabfrage der EnBW-Tochter terranets bw unter der Schirmherrschaft des Landes Baden-Württemberg, an der sich mehr als 500 Unternehmen beteiligt haben. Ein signifikanter Anstieg ist besonders im Industriesektor zu sehen – und dort nicht nur in energieintensiven Branchen, sondern auch im Maschinenbau oder der Nahrungs- und Futtermittelindustrie. "Es geht bei der Energiewende nicht nur um Strom, sondern um die ganzheitliche Dekarbonisierung. Die Bedeutung von Wasserstoff für die deutsche Volkswirtschaft ist immens", so Dirk Güsewell, COO Systemkritische Infrastruktur bei der EnBW.

Wie wird Wasserstoff transportiert?

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Oft sind Industrien, die Wasserstoff als Rohstoff oder Energieträger benötigen, in Regionen angesiedelt, die keine guten Bedingungen für die Wasserstoffproduktion bieten. In Deutschland etwa entsteht erneuerbare Energie vor allem an der Küste, die Zentren industrieller Produktion aber liegen im Landesinneren. Wie also lässt sich Wasserstoff am besten von A nach B transportieren?

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Komprimiert oder flüssig: wandelbarer Wasserstoff

Nach der Elektrolyse, also der Spaltung von Wasser (H₂O) in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂), liegt der Wasserstoff im gasförmigen Aggregatzustand vor. In dieser Erscheinungsform hat Wasserstoff eine sehr niedrige volumetrische Energiedichte. Ganze zwölf Kubikmeter unverdichteter Wasserstoff entsprechen erst einem Liter Benzin. 

Bei der Verdichtung wandelt sich Nachteil jedoch in einen Vorteil um: Dann weist ein Kilogramm Wasserstoff pro Kilogramm fast so viel Energie auf drei Kilogramm Benzin.

Für einen effizienten Transport gilt es daher, Wasserstoff zu komprimieren oder zu verflüssigen. Bei der Kompression wird gasförmiger Wasserstoff mit hohem Druck bis etwa 700 bar verdichtet und in speziellen Drucktanks aus Stahl oder Verbundmaterial gespeichert. Noch kompakter wird es bei der Verflüssigung: Dafür wird Wasserstoff bei minus 253 Grad Celsius in speziellen Kryotanks gespeichert. Dabei nimmt er nur ein Fünftel seines Volumens ein.

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Transport per LKW, Zug und Schiff

Wasserstoff kann sowohl in flüssiger als auch in gasförmiger Form in LKWs oder Zügen transportiert werden. Hierbei werden spezielle Tankwagen oder Waggons eingesetzt. Für Importe aus Übersee bietet sich der Transport mit Tankschiffen an. Dies erfolgt in der Regel in Form von flüssigem Wasserstoff oder in Verbindung mit sogenannten Trägermedien .

Ammoniak gilt derzeit als die gängigste Methode für den Transport von Wasserstoff über große Entfernungen. Dies liegt am hohen technologischen Reifegrad, der bestehenden Infrastruktur und der langjährigen Erfahrung in der Produktion und im Umgang mit der Chemikalie. Aber auch Methanol und flüssige organische Wasserstoffträger (LOHCs) kommen als Trägermedien in Frage. Hier die wichtigsten Eigenschaften auf einen Blick:

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  • Wasserstoff und Stickstoff reagieren bei der Ammoniaksynthese zu flüssigem Ammoniak.
  • Der Wasserstoffträger wird bei -33 °C oder unter Druck bei Umgebungstemperatur gespeichert.
  • Flüssiges Ammoniak lässt sich in Tanks lagern und leicht transportieren.
  • Am Zielort wird Ammoniak in Wasserstoff und Stickstoff aufgespalten (gecrackt).
  • Der Aufspaltungsprozess von Ammoniak ist sehr energieintensiv.
  • Ammoniak ist giftig und kann bei einem Austritt schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit haben.

Transport mit Ammoniak (NH₃)

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  • LOHC ist eine Flüssigkeit, die Wasserstoff durch eine chemische Reaktion absorbieren und freisetzen kann.
  • Es ist relativ kostengünstig und sicher in der Anwendung: Transport und Lagerung sind ähnlich unkompliziert wie bei Diesel, da LOHC dieselähnliche Eigenschaften hat.
  • Für den Transport können bestehende Infrastrukturen für Erdöl und petrochemische Produkte genutzt werden.
  • Die Dehydrierung ist energieintensiv und kann im großtechnischen Einsatz teuer sein.
  • Die Produktion von LOHC ist mit CO2-Emissionen verbunden; deren Umfang hängt von der Lebensdauer und Wiederverwendbarkeit des LOHC ab.

Transport mit einem LOHC

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  • Methanol ist chemisch betrachtet der einfachste organische Alkohol: Es besteht aus Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff.
  • Es handelt sich um eine giftige, farblose, leicht entzündliche Flüssigkeit, die als Ausgangsstoff für viele chemische Prozesse dient.
  • In einem Liter Methanol steckt fünfmal so viel Energie wie in einem Liter Wasserstoffgas.
  • Methanol ist bei normaler Temperatur flüssig und lässt sich einfach und sicher transportieren sowie lagern – ganz anders als Wasserstoff, der stark gekühlt oder unter hohem Druck gehalten werden muss.

Transport mit Methanol (CH₃OH)

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Transport über Pipelines: das Wasserstoffkernnetz

Das sogenannte Wasserstoffkernnetz soll Deutschland zum Herzstück der europäischen Wasserstoffinfrastruktur machen. (Bild: EnBW)

Für den Transport großer Mengen komprimierten gasförmigen Wasserstoffs sind Pipelines besonders vorteilhaft. In Deutschland entsteht derzeit das sogenannte Wasserstoffkernnetz. Gemeinsam mit der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB Gas e. V.), darunter auch terranets bw, plant das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bis 2032 ein 9.040 Kilometer langes Netz, das Deutschland zum Herzstück der europäischen Wasserstoffinfrastruktur machen soll. Dabei ist es wirtschaftlich und klimapolitisch sinnvoll, neben dem gezielten Neubau von Strecken auch große Teile des bestehenden Erdgasnetzes zu nutzen: Im Vergleich zu einem Neubau liegen die Kosten für die Umstellung bei 10 bis 35 Prozent. Bereits 2025 soll in Deutschland Wasserstoff fließen.

In Baden-Württemberg kommt für den Wechsel auf Wasserstoff unter anderem die Infrastruktur von terranets bw zum Einsatz. Mit einem rund 2.750 Kilometer langen Hochdruckleitungsnetz transportiert die EnBW-Tochter Erdgas von Niedersachsen bis an den Bodensee. Das Unternehmen mit Sitz in Stuttgart beteiligt sich an verschiedenen Wasserstoff-Projekten.

Bereit für den Wasserstofftransport: Erdgasnetz im Wandel

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In der Gasverdichterstation der Betriebsanlage Blankenloch bei Karlsruhe wird Gas komprimiert. So kann es über weite Strecken transportiert werden. (Quelle: terranets bw)

Wasserstoff hat eine geringere Energiedichte und andere stoffliche Eigenschaften als Erdgas. Daher müssen Netzbetreiber ihre bestehende Infrastruktur für den Wasserstofftransport vorbereiten. Grundsätzlich sind die Gasleitungen gut geeignet für eine Umstellung auf den Transport von Wasserstoff. Einzelne Einbauteile oder Komponenten müssen aber angepasst oder ausgetauscht werden.

Vor der Umstellung muss jeder Rohrkilometer auf seinen aktuellen Zustand geprüft werden. Bei terranets bw sind das mehr als 2.750 Kilometer Transportnetz – Rohre, die Gas über weite Strecken befördern und an regionale Netzbetreiber übergeben. So werden große Abnehmer wie Kraftwerke oder Industrieunternehmen in Baden-Württemberg ebenso versorgt wie Haushalte. Wasserstoff beansprucht das Material Stahl deutlich stärker als der Erdgastransport. Deshalb untersuchen Fachkräfte jeden Zentimeter ganz genau, setzen – wenn erforderlich – Reparaturen um oder tauschen Rohrstücke aus.

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So funktioniert die Inspektion der Erdgasleitungen

Im ersten Schritt werden im Rahmen der Integritätsbewertung alle Komponenten auf ihre Wasserstofftauglichkeit überprüft. Das wird beispielsweise über sogenannte Inspektions-Molchungen ermittelt: Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem ein mit Sensoren ausgestattetes Prüfgerät durch die Leitung geschickt wird. Über eine Schleuse ins Rohr eingebracht, fahren sie – angetrieben durch den Gasfluss – durch die Leitungen. Unterwegs sammeln sie mit ihren Sensoren hochpräzise Messdaten, deren Analyse konkrete Hinweise über Lage, Art und Beschaffenheit eventueller Auffälligkeiten liefert.

Im zweiten Schritt werden die nicht geeigneten Komponenten ausgetauscht und der Leitungsabschnitt durch einen unabhängigen Sachverständigen für den Betrieb freigegeben. Bevor er mit Wasserstoff befüllt wird, erfolgt eine Reinigung sowie eine Spülung mit Stickstoff. Die technische Umstellung der Infrastruktur wird im Netzgebiet der terranets bw zwischen 2030 und 2040 nach Verbrauchsregionen erfolgen – entsprechend der lokalen Bedarfsentwicklung.

Neue Leitungen für Erdgas und Wasserstoff geeignet

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Alle Neu- und Umbaumaßnahmen setzt die terranets bw schon heute wasserstofftauglich (H₂-ready) um. Wie zum Beispiel die rund 28 Kilometer lange Neckarenztalleitung, die terranets bw 2022 in Betrieb genommen hat. Dank besonderer Schweißverfahren und wasserstofftauglichem Stahl ist die Leitung für den Transport beider Energieträger geeignet. Für Hessen arbeitet terranets bw am Bau einer 117 Kilometer langen Leitung von Wirtheim nach Lampertheim: Die Spessart-Odenwald-Leitung (SPO) wird von Beginn an H₂-ready sein.

Wasserstoff-Insel Öhringen: Test unter echten Bedingungen

Seit November 2021 versorgt die EnBW die Betriebsstelle der Netze BW in Öhringen mit einem Erdgas-Wasserstoff-Gemisch, das nach und nach auf 30 Prozent Wasserstoff erhöht wurde. Das Mischgas wird von den umliegenden Haushalten für alltägliche Dinge wie Kochen und Heizen genutzt. Im nächsten Schritt sind auch volatile Einspeisungen vorgesehen. Damit sollen die schwankenden erneuerbaren Energien nachgebildet und die Auswirkungen von volatilen Wasserstoff-Gehalten im Netz untersucht werden.

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(Quelle: terranets BW)

Projekt Flow: Teil des European Hydrogen Backbone

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Derzeit engagieren sich Unternehmen aus 28 Ländern in der Initiative European Hydrogen Backbone (EHB). Bis 2040 wollen die beteiligten Betreiber eine etwa 53.000 Kilometer lange Pipeline-Infrastruktur zur Verfügung stellen und gemeinsam den Markthochlauf des klimaschonenden Wasserstoffs fördern. Dazu zählt auch die terranets bw mit ihren Wasserstoff-Projekten. Sie sorgt dafür, dass das deutsche Wasserstoffkernnetz optimal mit Wasserstoffpipelines aus angrenzenden Ländern verbunden ist.

Unter dem Namen Flow – making hydrogen happen soll unter anderem ab 2025 eine leistungsstarke Nord-Süd-Transportroute für Wasserstoff entstehen. Die terranets bw hat sich dafür mit den Netzbetreibern GASCADE und ONTRAS zusammengetan. ONTRAS ist eine Tochtergesellschaft der EnBW, die das Erdgasfernleitungsnetz in Ostdeutschland betreibt. Das geplante Pipelinesystem für grünen Wasserstoff wird 1.100 Kilometer umfassen und sich aus den verschiedenen Pipelines der Kooperationspartner zusammensetzen. In einem ersten Schritt erfolgt ab 2025 die Umstellung der Leitungen von Mecklenburg-Vorpommern bis Thüringen. Bis 2028 sollen die Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz eingebunden sein, ab 2030 dann Baden-Württemberg. Das Ergebnis: ein leistungsstarkes Pipelinesystem, das über Frankreich und Bayern zukünftig Wasserstoff aus Italien, Spanien und Nordafrika importieren kann.

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RHYn Interco: Wasserstoff-Transport aus Frankreich

Mit dem Projekt RHYn Interco plant die terranets bw die Anbindung ans französische Wasserstoffnetz. (Quelle: terranets bw)

Zum EHB zählt auch das grenzüberschreitende Projekt RHYn Interco, das die terranets bw derzeit mit dem Verteilernetzbetreiber badenovaNETZE und dem französischen Gasinfrastrukturbetreiber GRTgaz vorantreibt. Bis 2029 sollen mit dem Neubau einer Verbindung nach Frankreich und der Umstellung bestehender Gasleitungen Großabnehmer bei Freiburg angebunden werden. Durch die Umstellung eines weiteren Abschnitts könnte das Netz bis 2035 nach Offenburg und Kehl erweitert werden.

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