Das erwartet Sie in diesem Artikel
Wasserstoff (H₂) ist ein farbloses Gas. Seine Bezeichnung mit Farben dient als Hinweis auf die Art der Herstellung sowie den Grad der Nachhaltigkeit. Grauer Wasserstoff entsteht beispielsweise bei der Dampfreformierung fossiler Brennstoffe, wodurch erhebliche Mengen an CO₂ freigesetzt werden. Oranger Wasserstoff hingegen wird mithilfe von Energie aus Biomasse sowie Strom aus Müllheizkraftwerken hergestellt. Grüner Wasserstoff ist die umweltfreundlichste Variante: Er entsteht durch Elektrolyse, bei der unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien Wasser in seine Komponenten Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird. Der Prozess ist CO₂-frei.
Wann gilt Wasserstoff als grün?
Damit Wasserstoff als grün anerkannt wird, hat die EU 2023 bestimmte Kriterien festgelegt:
- Wasserstofferzeuger müssen nachweisen, dass der von ihnen verwendete Strom aus erneuerbaren Energien stammt.
- Der Strom kann entweder aus einer an die Produktionsanlage direkt angeschlossenen Stromerzeugungsanlage bezogen oder aus dem Stromnetz entnommen werden.
- Der Grundsatz der Zusätzlichkeit sorgt dafür, dass eine höhere Nachfrage nach Wasserstoff mit der Schaffung neuer Kapazitäten für die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen einhergeht.
- Der Grundsatz der zeitlichen und geographischen Korrelation soll sicherstellen, dass grüner Wasserstoff nur zu Zeiten und an Orten erzeugt wird, an denen ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung steht.
- Die Anforderungen gelten auch für Wasserstofferzeuger in Drittländern, die grünen Wasserstoff in die EU einführen wollen.
Ein Zertifizierungssystem soll künftig dafür sorgen, dass Wasserstofferzeuger die Einhaltung von EU-Kriterien einfacher nachweisen können. Das unterstützt auch den Markthochlauf von grünem Wasserstoff.
Die Herstellung von grünem Wasserstoff basiert auf der sogenannten Power-to-Gas-Technologie. Im Kern des Prozesses steht die Elektrolysezelle, die aus zwei Elektroden besteht, die in Wasser eingetaucht sind und durch einen Elektrolyten getrennt werden. Der Elektrolyt ist eine Substanz, die Ionen leitet und somit den elektrischen Strom durch das Wasser transportiert.
Wenn der elektrische Strom durch die Zelle fließt, findet an der Kathode (negative Elektrode) die Reduktion von H⁺-Ionen zu Wasserstoffgas (H₂) statt, während an der Anode (positive Elektrode) Wassermoleküle oxidieren und Sauerstoffgas (O₂) freisetzen. Der so produzierte Wasserstoff wird aufgefangen und gespeichert. Der Sauerstoff kann sowohl freigesetzt als auch als Industriegas genutzt werden.
Haben wir genügend Wasser für die Herstellung von grünem Wasserstoff?
Die Produktion von Wasserstoff ist ein wasserintensiver Prozess, der spezifische Anforderungen an die Qualität des verwendeten Wassers stellt. Das Wasser muss vor der Verwendung deionisiert, also von Mineralien und Salzen gereinigt werden. Dieses sogenannte Reinstwasser verbessert die Effizienz des Elektrolyseprozesses.
Die Elektrolyse eines Kilogramms Wasserstoff benötigt laut Angaben des Umweltbundesamts rund 10 Liter Reinstwasser. Um dieses zu erhalten, braucht es etwa 12 bis 16 Liter Grund- oder Flächenwasser. Bei der Elektrolyse mit Meerwasser erhöht sich der Bedarf auf 20 bis 30 Liter. Mit der in der Nationalen Wasserstoffstrategie bis 2030 angestrebten Elektrolyseleistung von mindestens 10 Gigawatt (GW) ergibt sich so ein Reinstwasserbedarf von 10-11 Millionen Kubikmetern. Zum Vergleich: Der Bodensee enthält etwa 50 Milliarden Kubikmeter Wasser.
Dementsprechend sind Standorte für die Wasserstoffproduktion mit Bedacht zu wählen, optimalerweise in Gebieten mit reichlich Wasserressourcen.
Bei dem Prozess, mithilfe von Strom Wasserstoff zu erzeugen und daraus dann wieder Strom und/oder Wärme zu gewinnen, geht Energie verloren. Derzeit liegt der Wirkungsgrad von Elektrolyseuren laut Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei 60 bis 70 Prozent. Expert*innen gehen jedoch von einer deutlichen Effizienzsteigerung in den nächsten Jahren aus: In aktuellen Forschungsprojekten weisen Wasserstoff-Elektrolyseure bereits einen Wirkungsgrad von 95 Prozent auf.
Trotz derzeit noch hoher Energieverluste im Vergleich zur direkten Verwendung von Strom bietet die Herstellung von grünem Wasserstoff einen entscheidenden Mehrwert: Sie sorgt dafür, dass wir Wind- und Solarenergie speichern und genau dann nutzen können, wenn wir sie benötigen.
Es gibt verschiedene Anwendungsgebiete, in denen heute Wasserstoff im Einsatz ist. Einige Beispiele:
- In Raffinerien wird Wasserstoff genutzt, um Erdöl in Benzin und Diesel zu spalten.
- In der chemischen Industrie spielt Wasserstoff unter anderem eine zentrale Rolle bei der Produktion von Ammoniak und Methanol.
- In der Glas- und Elektronikindustrie verhindert Wasserstoff Oxidation und andere chemische Reaktionen während der Herstellung.
- In der Lebensmittelindustrie wird Wasserstoff zur Hydrierung von Fetten und Ölen verwendet, zum Beispiel bei der Produktion von Margarine.
In der Regel wird hierfür aktuell noch klimaschädlicher grauer Wasserstoff verwendet. Ein wichtiger Schritt ist es daher, ihn über alle Einsatzbereiche hinweg durch grünen Wasserstoff zu ersetzen – und dadurch enorme Mengen an CO₂ einzusparen.
H₂-Speicherung statt Stillstand
Die Herstellung von grünem Wasserstoff kann zudem zum Ausgleich von Stromerzeugung und -nachfrage beitragen. Grüner Strom ist volatil, denn die Intensität von erneuerbaren Energiequellen wie Sonne oder Wind lässt sich nicht fix planen. Entsteht mehr Strom als benötigt, müssen derzeit noch häufig Anlagen abgeschaltet werden, um eine Überlastung der Netze zu vermeiden. Eine Lösung stellen hier große Batteriezellen, aber auch die Herstellung von grünem Wasserstoff dar: So lässt sich überschüssiger Strom speichern, gut transportieren und zu einem späteren Zeitpunkt flexibel einsetzen.
Neue Einsatzgebiete für Wasserstoff
Von zentraler Bedeutung für die Energiewende ist es zudem, grünen Wasserstoff in Anwendungsfeldern einzusetzen, die sich kaum oder gar nicht elektrifizieren lassen und für die bislang fossile Brennstoffe die einzige Lösung waren. Ein Beispiel dafür ist die besonders klimaintensive Stahlindustrie: Kommt in der Roheisenproduktion künftig statt Kohle grüner Wasserstoff zum Einsatz, entsteht als Nebenprodukt anstelle von klimaschädlichen CO₂ lediglich Wasser.
Grüner Wasserstoff kann aus Sicht der Bundesregierung und vieler Branchenexpert*innen eine Alternative zu Erdgas und Erdöl sein. Ganz nach dem Motto „Shipping the sunshine“ lässt er sich in Regionen mit viel Wind, Sonne und Wasser produzieren und von dort aus exportieren, um den Energiebedarf der Welt zu decken. Wasserstoff kann zudem als der dringend benötigte Baustein für die sogenannte Sektorenkopplung dienen. Das erzeugte Gas ist sowohl zur Wärme- und Stromerzeugung als auch für den Einsatz im Mobilitätssektor und in industriellen Prozessen geeignet. Grüner Wasserstoff hat damit das Potenzial, sich zum klimafreundlichen Ersatz für Erdgas und Erdöl zu entwickeln.
Grüner Wasserstoff gilt heute neben Windkraft und Solarenergie als ein weiteres Schlüsselelement für die Energiewende. Ein neuer internationaler Markt entsteht – und Deutschland will sich dort als Vorreiter positionieren.
Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung 2020 die Grundlage dafür gelegt und diese mit dem Update von 2023 noch einmal bekräftigt und konkretisiert. Dazu gehören unter anderem die finanzielle Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowie die Förderung des Infrastrukturausbaus. Um die Nutzung von grünem Wasserstoff zu erleichtern, passt die Bundesregierung auch gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen an. Dazu zählt beispielsweise das Ende Mai 2024 beschlossene Wasserstoffbeschleunigungsgesetz: Es soll die relevanten Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren vereinfachen.
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Laut Nationaler Wasserstoffstrategie soll die Wasserstoffproduktion in Deutschland bis 2030 eine installierte Leistung von 10 GW erreichen. Die Produktionskapazitäten entwickeln sich kontinuierlich, sind aber noch weit vom Ziel entfernt. Die meisten Elektrolyseure sind Demonstrations- oder Forschungsanlagen. Vor allem größere Produktionsstätten befinden sich derzeit noch in der Planung oder am Anfang der Bauphase.
Noch sind die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland sehr hoch. Günstiger wird es erst mit mehr Strom aus erneuerbaren Energien sowie höheren Elektrolysekapazitäten.
Grüner Wasserstoff aus Wasserkraft: Reallabor H₂-Whylen
In Grenzach-Wyhlen (Landkreis Lörrach) betreibt die EnBW-Tochter Energiedienst (ED) seit 2018 auf ihrem Wasserkraftwerksgelände eine Power-to-Gas-Anlage. Dort erzeugt sie mit klimaneutralem Strom aus Wasserkraft täglich gut 400 Kilogramm hochreinen Wasserstoff. Vor Ort wird derzeit wird die Produktionsanlage erweitert. Sie soll Ende 2025 in Betrieb gehen und dann bis zu 700 Tonnen Wasserstoff jährlich produzieren.
Wasserstoff für die Raumfahrt: H₂ORIZON
Seit 2019 entsteht im Rahmen des Projekts H₂ORIZON in Heilbronn hochreiner Wasserstoff aus Windenergie. Hierbei kommt die innovative Proton Exchange Membrane (PEM) Elektrolyse zum Einsatz. Die Anlagen stehen auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das als Partner der ZEAG fungiert. Das DLR nutzt den erzeugten Wasserstoff für die Entwicklung von Wasserstoff-Sauerstoff-Antrieben der Ariane-5-Rakete und zählt mit einem jährlichen Verbrauch von über 400 Tonnen zu den größten Wasserstoffverbrauchern Europas.
Wasserstoff aus On- und Offshore-Windkraft: HyTech Hafen Rostock
Auf dem Gelände des EnBW-Steinkohlekraftwerks in Rostock wird derzeit eine Elektrolyseanlage errichtet. Diese Anlage entsteht durch die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen: Neben der EnBW sind die Energieversorger RWE und RheinEnergie, letzterer Miteigentümer des Kraftwerks, sowie der Hafen Rostock (Rostock Port GmbH) beteiligt. Der für die Produktion des Wasserstoffs notwendige Strom kommt aus Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen. Ab 2027 sollen so pro Jahr etwa 6.500 Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt werden.
Wasserstoffproduktion auf See: H₂Mare
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) untersucht das Projekt H₂Mare, wie sich Wasserstoff künftig genau dort erzeugen lässt, wo viel erneuerbare Energie zur Verfügung steht: in Offshore-Windparks. Darüber hinaus betrachtet das Forschungsprojekt weitere Power-to-X-Verfahren sowie die direkte Salzwasserelektrolyse.
Wasserstoff großtechnisch erprobt: Energiepark Bad Lauchstädt
Im Energiepark Bad Lauchstädt testen unsere Tochtergesellschaften VNG und ONTRAS gemeinsam mit weiteren Partnern die direkte Kopplung von Windstrom aus einem nahegelegenen Windpark und einer Großelektrolyseanlage von bis zu 30 MW. Der vor Ort erzeugte grüne Wasserstoff wird vom nahegelegenen Industriekunden TotalEnergies Raffinerie in Leuna abgenommen. Ab 2026 wird der Energieträger in einer eigens dafür präparierten Salzkaverne zwischengespeichert.
Vollständige Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff: GreenHyBB
Unter dem Projektnamen greenHyBB plant die EnBW gemeinsam mit VNG und ONTRAS in der Lausitz eine vollständige Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff. Wind- und Solarparks sollen grünen Strom in der Region produzieren und ins öffentliche Netz einspeisen. Ein vor Ort von den Projektpartnern errichteter Elektrolyseur entnimmt den erzeugten Grünstrom aus dem Netz und produziert Wasserstoff durch Elektrolyse. Der so erzeugte grüne Wasserstoff kann durch den Anschluss der Elektrolyseanlage an nahegelegene H₂-Pipelines Unternehmen in Brandenburg bereitgestellt werden.
Bis 2030 will die Bundesregierung 10 GW Elektrolysekapazität aufbauen. Das reicht voraussichtlich aus, um 30 bis 50 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs zu decken. Neben dem hier produzierten grünen Wasserstoff wird Deutschland auch Wasserstoff aus sonnen- und windreichen Regionen importieren müssen. Basis dafür sind umfassende Wasserstoffpartnerschaften mit Ländern, die mehr grünen Wasserstoff erzeugen, als sie selbst benötigen. Derzeit laufen zahlreiche Potenzialanalysen für Kooperationen – unter anderem mit Australien, Kanada, den USA, Neuseeland und mehreren afrikanischen Staaten.