Ein Blick auf Deutschlands Erzeugungslandschaft und die Rolle verschiedener Energieträger.
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Dekarbonisierung bedeutet die Reduzierung von CO₂-Emissionen mit dem langfristigen Ziel, sektorübergreifend keine Treibhausgasemissionen mehr auszustoßen. Im Begriff Dekarbonisierung steckt das Wort „Karbon“, das für Kohlenstoff steht. Kohlenstoff gelangt im Wesentlichen durch die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdgas und Erdöl in die Atmosphäre und treibt den Klimawandel durch den Treibhauseffekt an. Über die Verringerung der Emissionen trägt die Dekarbonisierung direkt dazu bei, die Erderwärmung einzudämmen und langfristige klimatische Veränderungen abzuschwächen. Das globale Klimaziel besteht darin, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Nicht nur der Klimawandel und die Notwendigkeit der Energiewende erhöhen den Druck, den Einsatz fossiler Energieträger zunehmend zu reduzieren. Auch in Zeiten hoher geopolitischer Risiken und schwankender, teils drastisch erhöhter Importpreise für Erdgas und Erdöl nimmt das Interesse zu, möglichst klimafreundliche, selbsterzeugte und flexibel einsetzbare Kraftwerke zu nutzen.
Ziel der internationalen Klimapolitik ist es, die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius bis zum Jahr 2100 gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts zu begrenzen. Auf der „Pariser Klimakonferenz“ (COP 21) im Jahr 2015 einigte sich die Staatengemeinschaft auf ein noch ambitionierteres Ziel: der Temperaturanstieg soll maximal 1,5 Grad Celsius erreichen. Denn bei einer Erwärmung darüber hinaus seien gefährliche Kipppunkte im globalen Klimasystem nicht auszuschließen.
Ein gefährlicher Kipppunkt wäre beispielsweise mit auftauenden Permafrostböden erreicht, aus denen dann hohe Mengen des Klimagases Methan entweichen würden. Ein weiterer Kipppunkt wären schmelzende Gletscher in der Antarktis. Bei einem durch mehrere Kipppunkte völlig außer Kontrolle geratenem Klimasystem könnten selbst einschneidende Klimaschutzmaßnahmen katastrophale Entwicklungen nicht mehr verhindern, so die Wissenschaftler*innen vom Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC). Ein sich beschleunigender Klimawandel wäre dann unumkehrbar.
Laut Weltklimarat liegt die Welt trotz aller aktuellen Bemühungen derzeit auf einem Kurs von 2,7 Grad Erderwärmung. Die Klimawissenschaftler*innen des IPCC sagen aber auch, dass die Menschheit die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch verhindern kann, wenn jetzt radikal Treibhausgase gesenkt werden – etwa durch eine noch konsequentere Energiewende.
Laut Daten des internationalen Forschungsnetzwerks Global Carbon Project stagnieren die weltweiten CO₂-Emissionen seit etwa 2010 bzw. steigen sogar – sie betragen aktuell jährlich etwa 37,2 Milliarden Tonnen. Während der Corona-Pandemie waren sie im Jahr 2020 leicht gesunken, doch bereits 2021 nach Berechnungen der Wissenschaftler wieder gestiegen. Bis zum Jahr 2050 dürften die weltweiten CO₂-Emissionen laut einer Prognose der Internationen Energieagentur (IEA) auf bis zu 42,8 Mrd. Tonnen pro Jahr zulegen.
Deutschland hat 2023 CO₂-Emissionen in Höhe von rund 598 Millionen Tonnen verursacht. In den vergangenen 10 Jahren sanken die Emissionen damit um fast 20 Prozent.
Während die weltweiten Emissionen mit rund 37.150 Millionen bzw. 37,2 Mrd. Tonnen angestiegen sind, konnte Deutschland seine Emissionen verringern. Sie sanken um fast 20 Prozent in den letzten 10 Jahren.
Globales Emissionsbudget
In einem Sonderbericht haben die Wissenschaftler*innen vom Weltklimarat IPCC, errechnet, dass der Welt für ein 1,5-Grad-Ziel ab 2018 ein globales Emissionsbudget von lediglich etwa 420 Mrd. Tonnen CO₂ verbleibt – angesichts von aktuell jährlich mehr als 37 Mrd. Tonnen CO₂-Emissionen läuft die übrige Zeit für das Erreichen der Klimaziele des Pariser Klimaschutzabkommens immer schneller ab. Bleiben die Emissionen so hoch, könnte das verbliebene Kohlenstoffbudget zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze voraussichtlich in sieben Jahren aufgebraucht sein, hat ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universität Hamburg Ende 2023 errechnet.
Was sind fossile Energieträger?
Fossile Energieträger sind Brennstoffe, die vor Millionen Jahren bei der Zersetzung von toten Pflanzen und Tieren entstanden sind. Die tote Biomasse wandelte sich durch verschiedene geologische Prozesse in Kohle, Erdöl oder Erdgas um. Fossile Brennstoffe sind global – anders als beispielsweise Wind- oder Sonnenenergie – nur begrenzt vorhanden und müssen relativ aufwändig an die Erdoberfläche geholt werden. Zudem setzen fossile Energieträger bei der Verbrennung zur Strom- oder Wärmeerzeugung riesige Mengen an Kohlenstoff frei. Der Kohlenstoff war seit Jahrmillionen in ihnen gebunden und deshalb nicht Teil der Atmosphäre. Als CO2 erreicht dieser Kohlenstoff die Erdatmosphäre, verstärkt dort den Treibhauseffekt und trägt so zur globalen Erwärmung bei.
Kohlendioxid baut sich nur sehr langsam in der Erdatmosphäre wieder ab. Die Folgen der Nutzung fossiler Energieträger sind eine kontinuierliche Erderwärmung, die den Klimawandel weiter verstärkt. Erschwerend kommt die Feinstaubbelastung durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas hinzu.
Die Alternative zu fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl oder Erdgas sind erneuerbare Energien. Diese auch als regenerative Energien bezeichneten Energieformen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Energiequelle durch die Nutzung nicht versiegt oder sich in absehbarer Zeit selbst erneuert. Erneuerbare Energien wie beispielsweise Wasserkraft, Windkraft oder Sonnenenergie stehen theoretisch unendlich zur Verfügung. Durch ihre Nutzung entstehen lediglich geringe Mengen an Treibhausgasen – vorwiegend bei der Produktion, dem Transport und dem Aufbau der Erzeugungsanlagen wie Wasserkraftwerken, Windenergie- und Photovoltaikanlagen oder Solarparks.
In der Energiewirtschaft fallen derzeit noch die meisten Emissionen an. Insgesamt entfielen in Deutschland im Jahr 2023 rund 30 Prozent der CO₂-Emissionen auf die Energiewirtschaft, vor allem auf die öffentliche Strom- und Wärmeerzeugung in Kraftwerken sowie Raffinerien. Transport und Verkehr verursachten 22 Prozent, die Industrie über das Verbrennen fossiler Energieträger etwa 23 Prozent.
Bis 2045 möchte Deutschland klimaneutral sein. Die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft ist ein wichtiger Baustein dazu. Damit weniger CO₂ in die Atmosphäre gelangt, sollen erneuerbare Energieträger wie Wind- und Solarkraft klimaschädliche Energieträger wie Öl, Gas oder Kohle ersetzen. Ohne konventionelle Kraftwerke gelingt eine stabile Energieversorgung aber derzeit noch nicht, da Wind und Sonne witterungsbedingt schwankend Energie liefern.
Ein Etappenziel ist, mindestens 80 Prozent des Bruttostrombedarfs hierzulande bis 2030 durch erneuerbare Energien zu decken. Im Zuge des bis dahin geplanten Kohleausstiegs fallen Kohlekraftwerke für die Stromversorgung weg. Die neue Kraftwerksstrategie des Bundes soll deshalb Anreize für den Neubau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken schaffen, mit denen der sogenannte „Fuel Switch“ gelingen soll: Ab 2035 dürfen diese bedarfsweise einsetzbaren Kraftwerke nur noch klimaneutralen Wasserstoff nutzen.
Die deutsche Industrie bezieht hohe Mengen an Energie aus fossilen Brennstoffen und verursacht laut Bundesumweltministerium (BMU) rund ein Fünftel der deutschen Treibhausgasemissionen. Insbesondere energieintensive Branchen wie beispielsweise die Stahlindustrie müssen für eine Dekarbonisierung möglichst zügig auf klimaneutrale Energieträger umstellen. Die Vermeidung von prozessbedingten Emissionen in den Wertschöpfungsketten stellt für die energieintensive Industrie jedoch eine große Herausforderung dar. Eine Option wäre die Nutzung von grünem Wasserstoff. Grüner Wasserstoff ist klimaneutral, weil der Strom für seine Produktion per Elektrolyse aus erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft, Wasserkraft oder Sonnenenergie stammt.
Laut Nationalem Wasserstoffrat – das ist ein von der Bundesregierung ins Leben gerufenes, unabhängiges Beratungsgremium – liegen die wichtigsten Einsatzbereiche von Wasserstoff in der Stahl- und Chemieindustrie. Bis in der energieintensiven Industrie mit grünem Wasserstoff allerdings eine Abkehr von fossilen Brennstoffen gelingt, sind kurz- bis mittelfristig Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz wie beispielsweise eine konsequente Abwärmenutzung notwendig, um die klimarelevanten Emissionen möglichst zu reduzieren.
Lösungsansätze für eine Dekarbonisierung des Verkehrssektors zielen in der Regel auf eine Umstellung auf Elektromobilität ab – so lässt sich klimafreundlich erzeugter Ökostrom für den Antrieb von Fahrzeugen nutzen. Entscheidend vorantreiben dürfte die Dekarbonisierung im Verkehrssektor das von der EU-Kommission im Sommer 2022 beschlossene Aus für den herkömmlichen Verbrennungsmotor: Ab 2035 müssen alle neu zugelassenen Autos emissionsfrei sein. Einzige Ausnahme: Neuwagen, die mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels fahren, sollen auch nach 2035 noch zu kaufen sein.
Sogar im Schwerlastverkehr ist der Einsatz von Elektro-Lkw bereits heute möglich, wie eine Kooperation von Mercedes-Benz Trucks und Netze BW zur Elektrifizierung des Güterkraftverkehrs mit entsprechenden Fahrzeugen und E-Lkw Ladestationen beweist. Da es durch die Elektrifizierung des Verkehrs zu einem höheren Strombedarf kommt, ist die Reduzierung kohlenstoffhaltiger Emissionen abhängig von der Dekarbonisierung der Energiewirtschaft – Stichwort Sektorenkopplung.
Weitere Lösungsansätze zur Senkung der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen sind die Erweiterung von Infrastrukturen für Fahrräder, der Ausbau und eine Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie die Unterstützung alternativer Angebote wie Carsharing mit Elektromobilen.
Sehr wichtig, denn auch die Emissionen im Gebäudesektor müssen sinken, damit die Energiewende gelingt. Im Deutschland stammen ungefähr 16 Prozent der CO₂-Emissionen aus privaten Haushalten – ein Großteil davon ist durch die Erzeugung von Wärme verursacht. Die Dekarbonisierung im Gebäudesektor muss dringend weiter voranschreiten. Mit energieeffizienten Neubauten und energetischen Sanierungen von Bestandsgebäuden ist es gelungen die Emissionen zu reduzieren, dennoch verursachte der Gebäudesektor 2023 rund 102 Millionen Tonnen CO₂ - und damit 15 Prozent aller Emissionen. Bis 2030 sollen sie weiter auf 67 Millionen Tonnen CO₂ sinken.
Auch bei der Dekarbonisierung von Gebäuden ist die Abkehr von fossilen Brennstoffen ein entscheidender Faktor. In Haushalten benötigt die Heizung am meisten Energie und verursacht beim Betrieb mit emissionsreichen Brennstoffen mit Abstand am meisten CO₂. Oftmals ist ein Heizungstausch nicht nur aus Umweltgründen, sondern auch finanziell vorteilhaft. Der Wechsel von alten Öl- und Gasheizungen auf klimafreundliche, effiziente Anlagen für die Erzeugung von Wärme soll zudem helfen, das CO₂-Reduktionsziel bis 2030 zu ermöglichen.
Nahezu emissionsfreie Wärme bringt der Umstieg auf eine Heizung, die erneuerbare Energien nutzt. Dies ist beispielsweise mit Wärmepumpen möglich, die Umweltwärme nutzen und für ihren Betrieb grünen Strom aus Photovoltaikanlagen vor Ort beziehen. Klimafreundliche Wärmelieferanten sind auch solarthermische Kollektoranlagen, Blockheizkraftwerke oder Nah- und Fernwärmenetze mit grüner Wärme.
Energetische Sanierung für einen klimaneutralen Gebäudebestand
Erhebliches Energiespar- und Klimaschutzpotenzial liegt weiterhin in der energetischen Sanierung von alten Bestandsgebäuden. In Deutschland stammen von den rund 22 Millionen Gebäuden hierzulande etwa 12,5 Millionen Wohngebäude aus der Zeit vor 1977 – sie entstanden damit vor der ersten Verordnung zum energiesparenden Wärmeschutz bei Gebäuden. Eine Sanierung dieser Altbauten ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland.
In Europa sollen alle Sektoren bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Den Weg dorthin sollen das 2015 vereinbarte Klimaabkommen von Paris, nationale Maßnahmen zum Klimaschutz sowie die sogenannte EU-Taxonomie und eine „Nachhaltige Finanzwirtschaft“ ebnen. Aber was kann jeder Einzelne von uns tun, um seinen ökologischen Fußabdruck zu verringern?
Pro-Kopf-Emissionen
Die Pro-Kopf-Emissionen sind in wohlhabenden Ländern wie Deutschland nach wie vor höher als in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern. Eine Person verursachte in Deutschland im Jahr 2023 im Durchschnitt jährlich 10,8 Tonnen Treibhausgase in CO₂-Äquivalenten. Das entspricht 10 mal mehr als klimaverträglich wäre.
Klar ist: Das individuelle Verhalten und der persönliche Lebensstil haben Einfluss darauf, wie groß der ökologische Fußabdruck eines jeden Einzelnen ist. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung: Nur, wer seinen Einfluss auf die Umwelt genau kennt, kann daran arbeiten, seinen ökologischen Fußabdruck nachhaltig zu verkleinern.
Ihren eigenen Ressourcenverbrauch können alle Verbraucher*innen auf der Internetseite des Global Footprint Network individuell berechnen. Über einen Online-Fragebogen werden Essgewohnheiten, Wohnsituation und Reiseverhalten abgefragt. Aus den Antworten wird dann der ökologische Fußabdruck geschätzt.
Was die Bundesregierung unternimmt
Um die Pro-Kopf-Emissionen nachhaltig zu senken, verfolgt Deutschland ambitionierte Klimaziele. Seit der Novellierung des Klimaschutzgesetzes im Juni 2021 gilt der Plan, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Dann dürfen in Deutschland nicht mehr klimaschädliche Emissionen in die Atmosphäre gelangen, als etwa durch Wälder und Moore absorbiert werden können. Bis zum Jahr 2030 soll der Ausstoß an Treibhausgasen um mindestens 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 sinken. Und für das Jahr 2040 gilt ein neues nationales Klimaschutzziel von mindestens 88 Prozent Reduktion.
Um die Ziele zu erreichen, sieht das Klimaschutzgesetz konkrete Maßnahmen vor – etwa eine CO₂-Bepreisung in den Sektoren Wärme und Verkehr, den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und eine Förderung der nachhaltigen Landwirtschaft sowie energieeffizienter Gebäude. Wesentliche Säulen der Dekarbonisierung sind eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien und eine höhere Energieeffizienz in allen Sektoren. Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 auf 30 Prozent und am Bruttostromverbrauch auf 65 Prozent zu erhöhen.
Die Nationale Wasserstoffstrategie sieht vor, grünen Wasserstoff als Energieträger zu etablieren. Mit klimaneutralem Wasserstoff soll es möglich sein, den Ausstoß von Treibhausgasen in Wirtschaftszweigen zu verringern, die bislang nur schwer zu dekarbonisieren sind – etwa die energieintensive Stahlindustrie.