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Die Kraftwerksstrategie des Bundes soll Anreize für den Neubau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken schaffen. Ihre Umsetzung regelt nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ein neues Kraftwerkssicherheitsgesetz. Insgesamt sollen 12,5 Gigawatt (GW) an Kraftwerkskapazität und 500 Megawatt (MW) an Langzeitspeichern ausgeschrieben werden – inklusive zwei GW für umfassende Modernisierungen bestehender Gaskraftwerke, um sie “Wasserstoff-ready” zu machen.
Die Ausschreibungen erfolgen in zwei Phasen. Die ersten fünf GW an neuen wasserstofffähigen Gaskraftwerken sowie die zwei GW an Modernisierungen werden voraussichtlich Anfang 2025 ausgeschrieben. Frühestens 2028 soll ein umfassender, technologieoffener Kapazitätsmechanismus an die Stelle der Ausschreibungen treten, hierfür hat die Bundesregierung für diesen Sommer die Veröffentlichung eines Optionenpapiers angekündigt. Innerhalb des Kapazitätsmarktes sollen die Betreiber Entgelte für die Bereitstellung der Kraftwerksleistung erhalten.
Die meisten Energieversorger begrüßen die Einigung der Bundesregierung mit der EU-Kommission auf die Kraftwerksstrategie – merken aber gleichzeitig an, dass noch viele Fragen unbeantwortet sind. Bemängelt wird zum Beispiel das unzureichende Volumen. Expert*innen beziffern den Bedarf an neuer gesicherter Leistung auf etwa 20 GW bis 2030. Weil nur insgesamt zehn GW an neuer Kraftwerksleistung ausgeschrieben werden sollen, sei ein vorgezogener Kohleausstieg bis 2030 unwahrscheinlicher geworden, meint etwa Simon Müller, Deutschland-Direktor des unabhängigen Thinktanks Agora Energiewende. Für ein klimaneutrales Stromsystem müssten bis 2030 weitaus größere Kapazitäten zugebaut werden.
Noch unklar ist, wann die zweite Ausschreibungsrunde stattfindet. Und auch für den ab 2028 geplanten Kapazitätsmechanismus gibt es noch kein detailliertes Konzept.
Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, dass im Jahr 2030 mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammt – vor allem aus Windkraft- und Solaranlagen. Das Problem: Die Stromerzeugung aus Wind und Sonne schwankt je nach Wetterlage stark.
Bislang füllen vor allem Kohlekraftwerke die Lücken in der Ökostrom-Versorgung. Deutschland möchte im Zuge der Energiewende aber bis spätestens 2038 vollständig auf Kohle als Energieträger verzichten. Laut Koalitionsvertrag soll Deutschland den Kohleausstieg sogar vorziehen und möglichst bereits bis 2030 kohlefrei werden. Es braucht also schnell klimafreundlichere Alternativen.
Wenn vorerst mit Erdgas betriebene Gaskraftwerke ab 2035 nur noch klimaneutralen Wasserstoff nutzen sollen, müssen bis dahin ausreichende Mengen davon verfügbar sein. Es ist daher wichtig, den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur voranzutreiben und den Markthochlauf von Wasserstoff bestmöglich zu unterstützen. Sollten die benötigten Mengen in den 2030er Jahren nicht verfügbar sein, wäre der geplante Kohleausstieg gefährdet.
„Die Zeit ist knapp. In der Regel dauern Planung, Genehmigung und Bau von neuen Kraftwerken sechs bis acht Jahre. Daher benötigen wir schnell Klarheit über die Rahmenbedingungen“, sagt Georg Stamatelopoulos, Vorstandsvorsitzender der EnBW. Als Investor für wasserstofffähige Gaskraftwerke ist die EnBW mit ihren drei sogenannten Fuel Switch Projekten in Stuttgart-Münster, Albach/Deizisau und Heilbronn trotzdem schon in die Umsetzung gegangen. Alle drei neuen Kraftwerke lassen sich von Erdgas auf Wasserstoff umstellen. Knapp ein Viertel der in Baden-Württemberg benötigten neuen regelbaren Kraftwerkskapazitäten sind damit gedeckt. Insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro investiert die EnBW in den Umbau.
Die neuen Kraftwerke sollen an sogenannten „systemdienlichen“ Standorten entstehen, also dort, wo aktuell viele Eingriffe zur Stabilisierung der Stromnetze für Mehrkosten im System sorgen. Die Bundesregierung hat angekündigt, dass die neuen Kraftwerke „überwiegend“ im netztechnischen Süden Deutschlands zugebaut werden, da hier der Bedarf an disponibler, also flexibel zur Verfügung stehender Leistung, am größten ist. Die Wirksamkeit der entsprechenden Regelung hängt nun an der konkreten Ausgestaltung.
Ohne entsprechende Anreize der Bundesregierung wäre zu erwarten, dass neue Gaskraftwerke verstärkt in den nördlichen und östlichen Bundesländern entstehen, wo Wasserstoff früher oder kostengünstiger zu beziehen sein dürfte. Insbesondere im Norden Deutschlands gibt es deutlich mehr installierte Windenergieanlagen, die zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden könnten.
Deutschland hat sich aus mehreren Gründen dazu entschieden, aus der Atomkraft auszusteigen. Der maßgebliche Impuls für den beschleunigten Atomausstieg kam 2011 nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima in Japan, die eine weltweite Debatte über die Sicherheit von Kernkraftwerken auslöste.
Die EnBW hat im Rahmen des politisch gewollten Atomausstiegs Rückbaugenehmigungen für ihre insgesamt fünf Standorte erhalten. Der längst begonnene Rückbau der Kernkraftwerke ist unumkehrbar. Die Kernkraftwerke können nicht erneut in Betrieb genommen werden.
Aber auch neue Kernkraftwerke wären nicht die Lösung der heutigen Energieversorgung, zumal die Planungs- und Bauzeiten solcher Anlagen im Minimum bei 20 Jahren liegen. Hinzu kommen exorbitante Investitionssummen: So werden etwa die Kosten eines großen Kernkraftwerksprojekts in Großbritannien auf mittlerweile 40 Milliarden Euro geschätzt. Neue Kernkraftwerke bedürften somit einer massiven Förderung, damit sie überhaupt ans Netz gehen können. Der erzeugte Atomstrom wäre im Vergleich zu Strom aus anderen Energiequellen wie Wind- und Solarenergie teuer und nicht wettbewerbsfähig.