Ein Kraftwerk stärkt die Artenvielfalt. Klingt das wirklich glaubwürdig?
Das ist natürlich etwas zugespitzt, aber im Fall von Solarparks stimmt es tatsächlich: Sie erhöhen häufig die Artenvielfalt einer Fläche im Vergleich zur Situation vorher. Insbesondere gilt dies für vorherige Ackerflächen.
Wie das? Es wird doch zunächst einmal meist landwirtschaftliche Fläche bebaut.
Viele von uns verbinden mit einem Acker etwas Natürliches; einen Ort, wo sich viele Tiere wohlfühlen – bei einem Bauprojekt denken wir dagegen an etwas Unnatürliches und sehen die Artenvielfalt bedroht. Tatsächlich ist eine intensiv bewirtschaftete Ackerfläche aus Artenschutzsicht kaum hochwertiger als ein Parkplatz vor dem Supermarkt: Pflanzen werden gespritzt, der Boden wird gedüngt und Maschinen wie Traktoren machen den Tieren das Leben schwer. Oder anders gesagt: Ein Vogel, der auf einem Acker brütet, macht das häufig zum letzten Mal.
Was ist bei einem Solarpark anders?
Der Anteil der versiegelten Fläche ist verschwindend gering und die unbebaute Fläche kann naturschutzfachlich hochwertig gestaltet werden. Es entsteht echte Natur – weitgehend frei von menschlicher Einwirkung. Und zahlreiche Studien haben inzwischen belegt, dass die Module die meisten Arten nicht stören oder sich rasch ein Gewöhnungseffekt einstellt. Hinzu kommt, dass wir überwiegend Flächen nutzen, die aufgrund ihrer Bodenwerte ohnehin keine hohen landwirtschaftlichen Erträge bringen. Gutachter berücksichtigen übrigens auch die Auswirkungen eines Solarparks auf das Landschaftsbild.
Lassen sich Auswirkungen von Solarparks auf das Landschaftsbild denn objektiv beurteilen?
Es gibt festgelegte Kriterien, nach denen Gutachter die Aspekte Vielfalt, Eigenart und Schönheit beurteilen. Unterm Strich ist es so, dass Solarparks reine Agrarlandschaften auflockern und Abwechslung schaffen. So hat auch das menschliche Auge etwas davon. Ein durchdachtes Bepflanzungs- und Pflegekonzept verstärkt diese Wirkung natürlich noch.
Sind die Maßnahmen für mehr Artenvielfalt in jedem Solarpark gleich?
Nein, wir entwickeln für jeden Solarpark ein individuelles Konzept. Es gibt auch Schnittmengen; zum Beispiel säen wir grundsätzlich blütenreiches regionales Saatgut aus. Aber entscheidend ist das vorhandene Arteninventar und Habitatpotenzial.
Für die meisten Maßnahmen gilt übrigens, dass sie nicht nur die eine Zielart begünstigen, sondern die Biodiversität insgesamt. Beispiel Feldlerche: Angenommen, wir legen Freiräume für Brutstätten sowie Blühstreifen als Nahrungshabitat an, so helfen diese Maßnahmen nicht nur der Feldlerche. Sie bieten zugleich auch Insekten, Kleinsäugern, Reptilien oder weiteren Vogelarten hochwertige Habitatstrukturen.
Die technische Entwicklung der Module ist enorm: Auf gleicher Fläche bringen wir heute doppelt so viel Leistung unter als noch vor zehn Jahren.
Pflanzen und Tiere leben ungestört, weil Menschen und auch größere Tiere keinen Zutritt haben. In der Regel weisen die Zäune einen etwa 20 cm hohen Bodenabstand auf, so dass kleine Lebewesen in den Solarpark gelangen können (sogenannte Kleintierdurchlässe). In manchen Regionen muss ein sogenannter schwarzwildsicherer Zaun gebaut werden, um Schafherden vor Wolfen zu schützen.
Um einzelne Lebensräume miteinander zu verbinden und eine artenschutzfachlich hochwertige Strukturvielfalt (Biotopkomplex) zu schaffen, werden Hecken und Sträucher gepflanzt.
Ein Solarpark versiegelt weniger als 1 % seiner Grundfläche. Lediglich die Pfosten der Module nehmen Fläche in Anspruch. Bei sehr großen Solarparks kommen gegebenenfalls noch feste Stationen hinzu (Wechselrichterstation(en) / Transformatoren).
Unterhalb der Module leben ebenfalls Pflanzen und Tiere, denn auch hier dringt Licht durch. Was von oben nicht sichtbar ist: Die Bodenfreiheit beträgt mindestens 80 cm. Der Insektenreichtum ist eine wichtige Nahrungsquelle für viele Brutvogelarten.
Schäfer können die Fläche als Weidefläche nutzen und so die Fläche auf natürliche Art pflegen.
Viele Bauvorhaben werden von unabhängigen Ökologen begleitet. Sie kontrollieren, ob natur- und artenschutzrechtliche Maßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Die Honigbiene zählt zu den wichtigsten Nutztieren überhaupt und findet, wie viele andere bestäubende Wildbienen- und Insektenarten, ein vielfältiges Paradies im Solarpark. In manchen Parks wird regionaler Honig gewonnen.
Wir säen regionales Saatgut aus. So entsteht neuer und standortangepasster natürlicher Lebensraum für viele Pflanzen und Tierarten – nachhaltig für oft über 20 Jahre. Eine besonders hohe Artendichte ist je nach Standort vor allem bei Heuschrecken, Tagfaltern, Reptilien und Brutvögeln zu beobachten.
Ein Solarpark ist wie eine Kur für den Boden: Düngung und Pflanzenschutzmittel fallen weg, mechanische Behandlung durch beispielsweise Traktoren ebenfalls . Es wird vermehrt Humus gebildet, der nicht nur CO₂ bindet, sondern langfristig die Fruchtbarkeit des Bodes erhöht.
Je größer eine Anlage ist, desto eher bietet sie Habitate für seltene und geschützte Arten (zum Beispiel Zauneidechsen oder Wiedehopf).
Wenn Solarparks die Biodiversität einer Fläche ohnehin häufig verbessern, zumal unter Einhaltung der zusätzlichen Maßnahmen – engagiert sich die EnBW noch über behördliche Auflagen hinaus?
Wir beobachten, dass der Auflagendruck mit der Anzahl der PV-Flächen wächst. Maßnahmen, die Projektentwickler in einem Park freiwillig durchführen, sind im nächsten Projekt oft schon Bestandteil der Auflagen. Dennoch ist es uns wichtig, unabhängig von behördlichen Auflagen die ökologischen Chancen eines Solarparks zu nutzen. Viele dieser Aspekte sind auch in der sogenannten Selbstverpflichtung zur guten Planung von PV-Anlagen enthalten – einer Initiative des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft, der wir uns angeschlossen haben.
Was genau beinhaltet diese Selbstverpflichtung?
Wir gehen bei der Planung eines Solarparks gesamthaft vor. Nehmen wir den Abstand zwischen den Modulreihen: Bei rein naturschutzfachlicher Betrachtung würde man dem Prinzip „je größer, desto besser“ folgen – und in der Folge natürlich maximal große Flächen benötigen. Wir begrenzen ihn daher auf ein sinnvolles Maß. So verbrauchen wir weniger Flächen bei gleichem Stromertrag.
Ein anderes Beispiel betrifft Bruthabitate einzelner Arten wie Feldlerchen. Unser Ziel ist es, sie auf der Fläche des Solarparks zu erhalten, statt externe Maßnahmen für die Tiere umzusetzen. Beide Beispiele entsprechen übrigens dem Vermeidungsprinzip aus dem Naturschutzrecht. Demnach sind geringere Eingriffe in die Natur gegenüber Ausgleichsmaßnahmen vorzuziehen.
Menschen haben in der Regel keinen Zutritt zu Solarparks. Gibt es trotzdem die Möglichkeit eines Einblicks?
Im Juni 2021 richtete das Naturmagazin Geo den jährlichen Tag der Natur aus. Wir machten bei der Feldforschungsaktion in zwei – bezogen auf die Biodiversität sehr unterschiedlichen – EnBW-Solarparks mit und organisierten virtuelle Einblicke für alle Interessierten. Mehr zur Aktion und Artenvielfalt in unseren Solarparks finden Sie auf der Seite Lebensraum Solarpark.
Abhängig von der Corona-Situation bieten wir in ausgewählten Solarparks auch Führungen an. Natürlich berücksichtigen wir auch hier beispielsweise Brutzeiten und bewegen uns in festgelegten Gebieten, damit es nicht zu Störungen der Tierwelt kommt.