In der Natur ist eine Drohne eine männliche Biene, Hummel oder Wespe. In technischen Kontexten ist mit einer Drohne in der Regel ein unbemanntes Fluggerät gemeint, das autonom durch an Bord befindliche Computer oder per Fernbedienung gesteuert wird. Die Namensgebung ist nicht zufällig: Moderne Drohnen können in der Luft stehen bleiben, vorwärts und rückwärts fliegen, seitwärts schweben und sich sogar auf den Kopf stellen – alles Fähigkeiten, die auch Bienen haben. Drohnen können eine Vielzahl von Formen und Größen haben, abhängig von ihrem Verwendungszweck. Sie sind oft mit Kameras oder Sensoren ausgestattet.
Die Geschichte der Drohnen geht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Als ballongeführte Flugsysteme fanden Drohnen erstmals Einsatz zur Überwachung des Feindes während des amerikanischen Bürgerkriegs. In den 1930er und 1940er Jahren begannen die USA und Großbritannien, ferngesteuerte Flugzeuge als mobile Ziele für Flugabwehrschützen zu entwickeln. Mit dem Aufkommen der GPS-Technologie in den 1990er Jahren ließen sich Drohnen wesentlich vielseitiger und genauer verwenden. Seitdem haben sie eine Vielzahl von zivilen und militärischen Anwendungen gefunden – vom Einsatz in Kriegsgebieten über die Inspektion von Infrastrukturen bis hin zur Überwachung von Erntefeldern in der Landwirtschaft.
Bei professionellen und privaten Nutzer*innen ist die Drohnentechnologie beliebt, um beeindruckende Luftaufnahmen anzufertigen, für die früher aufwändige Hubschrauber- oder Flugzeugflüge notwendig gewesen wären. Forscher*innen wiederum arbeiten daran, Lufttaxis für den Personennahverkehr sowie Lieferdrohnen für den Transport von Gütern zu entwickeln. Mit den ferngesteuerten Drohnen, wie sie mittlerweile Hobbyfotograf*innen verwenden und wie sie auch in vielen Kinderzimmern vorzufinden sind, haben diese flugzeugähnlichen Drohnen jedoch wenig gemeinsam.
In der Energiewirtschaft gewinnt der Einsatz von kleineren, programmier- und fernsteuerbaren Drohnen zunehmend an Bedeutung. In mehr als 80 Prozent der Fälle dienen diese Drohnen Inspektionsarbeiten, heißt es in einem Branchenreport von Statista. Die „Augen in der Luft“ können die Effizienz von Inspektionen steigern, indem sie die Wartung von Energiesystemen erleichtern, Arbeitsabläufe beschleunigen, die Sicherheit für alle Beteiligten erhöhen und die Ausfallzeiten von Anlagen minimieren. Kartografie- und Vermessungsaufgaben (14 Prozent) sind weitere typische Anwendungsfälle.
Bei Windkraftanlagen können Drohnen dazu dienen, die Rotorblätter von Windkraftanlagen aus nächster Nähe zu begutachten. Mit hochauflösenden Kameras und Infrarotsensoren erkennen die „fliegenden Roboter“ frühzeitig Risse, Erosion und andere Schäden, bevor diese zu Ausfällen führen. Die herkömmliche Inspektion der Rotorblätter durch Mitarbeiter*innen per Seilzugangstechnik ist zwar erprobt und sicher, jedoch zeitaufwändig und wegen möglicher Wetterrestriktionen schwieriger zu planen. Allein die Zeitersparnis durch Drohnen ist beeindruckend: Stand eine Windkraftanlage bei einer konventionellen Rotorblattinspektion bislang rund acht Stunden lang still, erfolgt die Untersuchung per Drohne in der Regel in lediglich rund 30 Minuten. Die immense Effizienzsteigerung verringert die Kosten der Inspektionen erheblich.
Auch bei der Inspektion von Solarmodulen großer Solarparks sind Drohnen praktische Helfer: Sie können über den Solarfeldern schweben und aus verschiedenen Winkeln Fotos aufnehmen, um einen umfassenden Überblick über den Zustand der Anlage zu ermöglichen. Sind die Drohnen mit Wärmebildkameras ausgestattet, sind sie außerdem in der Lage, über ungewöhnlich hohe oder niedrige Temperaturen schnell schlecht funktionierende oder defekte Zellen zu identifizieren. Heiße Stellen etwa weisen auf einen möglichen Kurzschluss hin, während kältere Stellen eine unterbrochene Verbindung oder eine defekte Zelle signalisieren.
Zur Inspektion von Stromleitungen und -netzen lassen sich Drohnen so programmieren, dass sie entlang der Stromleitungen fliegen und Transformatoren, Isolatoren und andere wichtige Komponenten inspizieren. Sind die Drohnen hier ebenfalls mit Wärmebildkameras bestückt, können sie heiße Stellen erkennen, die auf mögliche Probleme wie Überlastungen oder Defekte hindeuten.
Bei der EnBW sind konzernweit mittlerweile rund 30 Drohnen im Dienst, die meisten davon für Regeluntersuchungen wie etwa „automatisierte Rotorblattinspektionen“, weiß Dr. Anja Schuster, Leiterin des Forschungsprojekts Drohnen@Erzeugung. Aber auch im Kraftwerksbereich sowie zur Begutachtung von Freileitungsmasten kämen immer öfter „Augen in der Luft“ zum Einsatz. „Die Drohnentechnologie entwickelt sich für die Überprüfung von vermuteten Schäden in schwer zugänglichen Anlagen sowie für regelmäßige Inspektionen zunehmend zum Standard bei uns“, erklärt Schuster. Auch die Vermessung sei ein Einsatzfeld, um beispielsweise das Volumen von Kohlehalden vor Kraftwerken zu bestimmen. „Wir möchten Drohnen künftig auch verstärkt für Vermessungen in anderen Bereichen nutzen, etwa für Aufmaße von Baustellen.“
Um die Verwendung von Drohnen innerhalb der EnBW in allen Fachbereichen zu fördern, gehört der Erwerb eines Drohnenführerscheins, wie ihn die EU bereits ab einem geringen Gewicht eines unbemannten Flugobjekts vorschreibt, seit geraumer Zeit zum Ausbildungsprogramm bei der EnBW. „Damit steht uns konzernintern auch ein stetig wachsender Pool an Drohnenpiloten zur Verfügung, um die zunehmenden Einsatzmöglichkeiten zu realisieren.“
Drohnen fliegen zu können und damit Zustandsinformationen zu sammeln, seien aber im Grunde erst die Grundlagen für weitreichende Innovationen auf Basis der Drohnentechnologie: „Große Potenziale liegen in der Nutzung der erhobenen Daten, um Lösungen zu erarbeiten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln“, so Schuster. Drohnen lieferten einen regelrechten digitalen „Datenschatz“: geografische Daten, über Sensoren erhobenen Zustandsinformationen und eine Vielzahl an Bildern, die sich mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) beschleunigt auswerten ließen. KI-basierte Auswertungen ermöglichten bei Inspektionen mittelfristig etwa automatisierte Schadensberichte und Schadenskategorisierungen: Die KI filtert dann aus den vielen gesammelten Daten und Bildern selbständig die relevanten Informationen heraus und bewertet sie.
Langfristig lägen die größten Potenziale der Drohnentechnologie darin, auf Basis der erfassten Daten „digitale Zwillinge“ sämtlicher Anlagen der EnBW aufzubauen. „Diese virtuellen Modelle dürften beispielsweise die Betriebsüberwachung und Optimierung von Anlagen deutlich erleichtern“, so Schuster. Doch damit noch nicht genug: „Ziel ist es, über eingehende Analysen der erhobenen Daten und die Verknüpfung mit anderen Datensammlungen ganz neue Mehrwerte zu schaffen und bislang nicht realisierte Wertschöpfungen zu ermöglichen.“
Inspektionen von Anlagen in der Energiewirtschaft mit ferngesteuerten Drohnen bedeuten einen erheblichen Effizienzfortschritt, ihr wohl bislang innovativster Einsatz steht der Drohnentechnologie möglicherweise aber erst noch bevor: Im Forschungsprojekt „Offshore Logistics Drones“ untersucht die EnBW zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ob die Verwendung von Transportdrohnen für Offshore-Windparks aussichtsreich ist und inwiefern sich Wartung und Betrieb von Windkraftanlagen auf hoher See mit ihnen schneller und nachhaltiger durchführen lassen. Bislang sind Schiffe und Hubschrauber die gängigen, aber auch kostenintensiven Beförderungsmittel für Wartungsteams und Arbeitsmittel. Eingespart werden könnten dann auch teilweise die Kosten für die Unterbringung von Servicemitarbeiter*innen auf Hotelschiffen.
Um in der Offshorelogistik Effizienzvorteile mit Transportdrohnen zu erreichen, müssten die „fliegenden Helfer“ in der Lage sein, für turnusmäßige Wartungen benötigte Werkzeuge, Verbrauchsmaterialien und Ersatzteile mit einer gesamten Nutzlast von etwa 200 Kilogramm mehr als 100 Kilometer weit zu ihren Einsatzorten im Windpark und wieder zurück an Land zu bringen, erläutert Marcus Ihle, der die „Offshore Drone Challenge“ bei der EnBW mitgestaltet: Zu diesem Innovationswettbewerb hat die EnBW zusammen mit ihrem Projektpartner, dem DLR, Drohnenhersteller und -dienstleister eingeladen, ihre neusten technologischen Lösungen im Sommer 2024 live bei Flügen zu demonstrieren. Eine hochkarätig besetzte Jury mit Expert*innen aus den Bereichen Luftfahrt, Versicherungswesen, Urban Air Mobility, Wissenschaft, Politik und Windenergie besetzte Jury soll die vorgeführten Drohnentechnologien und Prototypen dann auf ihre praktische Einsatzfähigkeit für die EnBW hin bewerten.
Die „Offshore Drone Challenge“ ist Teil des Forschungsvorhabens „Upcoming Drones Windfarm“: Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Innovationsprojekt untersucht den Einsatz von Transportdrohnen in Offshore-Windparks und hat zum Ziel, die Bedingungen und erforderlichen Schritte für die Realisierung eines Drohnenbetriebs zu ermitteln – zunächst für den Materialtransport, perspektivisch soll aber die Beförderung von Personen mit Drohnen möglich sein. „Es geht um flugzeugähnliche Lufttaxis, die mit den gängigen Inspektionsdrohnen wenig gemeinsam haben“, so Ihle. Vielmehr erhalte die „Urban Air Mobility“-Branche mit der Logistik rund um Offshore-Windparks einen spannenden Anwendungsfall, betrete aber auch Neuland. „Bislang hat noch niemand Schwerlastdrohnen als Transportsysteme im Luftraum und Offshore-Windparks zusammengebracht. Wir sind daher sehr gespannt auf die neusten Entwicklungen und vor allem auf die Flugtage im Rahmen der Challenge.“
Austragungsort der Vorführungen ist im Juni 2024 das Nationale Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme Cochstedt (CSO) in Sachsen-Anhalt. Nach dem praktischen Teil kürt die Jury den Gewinner der Challenge. Für die „Hamburg WindEnergy 2024“ als Leitmesse der Windenergie ist die offizielle Preisverleihung des vielbeachteten Drohnen-Wettbewerbs geplant.