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Massiver Rückbau alter Anlagen erwartet
Windenergie hat hierzulande einen steigenden Anteil an der Stromerzeugung – und der Ausbau schreitet weiter voran. Ende 2024 gab es laut dem Bundesverband WindEnergie 28.766 Windräder an Land mit einer Gesamtleistung von 63.431 Megawatt – damit gehört Deutschland in Sachen Onshore-Windkraft zu den Vorreitern in Europa. Gleichzeitig ist jedoch ein massiver Rückbau alter Windkraftanlagen zu erwarten, denn Windräder haben durchschnittlich eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Zudem endet nach 20 Jahren die feste EEG-Einspeisevergütung für Anlagenbetreiber*innen. Alte Windräder erzeugen in der Regel viel weniger Strom als neuere, effizientere Windkraftanlagen und sind oft nach mehr als zwei Jahrzehnten Dauerbetrieb technisch erneuerungsbedürftig. Gleichzeitig sind neue Standorte für Windkraftanlagen in vielen Regionen rar gesät, Genehmigungsverfahren sind häufig aufwändig und langwierig. Alte Anlagen per Repowering durch leistungsstärkere Windräder zu ersetzen, ermöglicht auf etablierten Flächen langfristig mehr Stromertrag.
Rückbau des EnBW Windparks Hemme (Bild: EnBW / Fotograf: Rolf Otzipka)
Rückbau des EnBW Windparks Hemme (Bild: EnBW / Fotograf: Rolf Otzipka)
Rückbau des EnBW Windparks Hemme (Bild: EnBW / Fotograf: Rolf Otzipka)
Rückbau des EnBW Windparks Hemme (Bild: EnBW / Fotograf: Rolf Otzipka)
Rückbau des EnBW Windparks Hemme (Bild: EnBW / Fotograf: Rolf Otzipka)
Rückbau des EnBW Windparks Hemme (Bild: EnBW / Fotograf: Rolf Otzipka)
Branche arbeitet an Recyclingkonzepten
Windenergieanlagen bestehen größtenteils aus Beton (bis zu 65 Prozent des Gesamtgewichts) und Stahl (bis zu 35 Prozent des Gesamtgewichts). Die Rotorblätter machen hingegen nur bis zu 5 Prozent des Gewichts einer Windkraftanlage aus. Angesichts des erwarteten Rückbaus arbeitet die Branche bereits intensiv an umfassenden Recyclingkonzepten. Bis zu 90 Prozent der Komponenten lassen sich laut Verband Wind Europe heute schon in etablierte Recyclingkreisläufe zurückführen. Das ist zwar keine schlechte Bilanz, jedoch noch nicht gut genug: Im Rahmen des „Clean Industrial Deal“ hat die Europäische Umweltagentur (EEA) einen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft bekanntgegeben. Dieser sieht ein europaweites Deponierungsverbot vor, und dass 100 Prozent der ausrangierten Rotorblätter wiederverwendet, recycelt oder verwertet werden sollen.
Was recycelt werden kann
Zu den recycelbaren Stoffen gehören die metallhaltigen Anlagenteile, die gesamte Elektrik sowie die Fundamente und der Turm, der gewöhnlich aus Stahl-, Kupfer-, Aluminium- und Betonkomponenten besteht. Stahl und Kupfer verkaufen die Verwerter in der Regel als Rohmaterial, es ist dann für andere Konstruktionen einsetzbar. Beton und Fundamentteile finden zerstückelt zum Beispiel im Straßenbau als Aufschüttung Verwendung. Zu einer echten stofflichen Verwertung, also der Nutzung für neue Produkte oder als Rohstoff, ist der Weg noch weit. Voraussetzung dafür ist, alle Teile, aus denen ein Rotorblatt besteht, sauber voneinander zu trennen. Ein neues Forschungsvorhaben des Fraunhofer Instituts für Windenergiesysteme arbeitet genau daran. Ziel ist es, ein hochwertiges Recycling sicherzustellen, bei dem die positiven Materialeigenschaften der Fasern erhalten bleiben.
Welche Probleme gibt es beim Windräder-Recycling?
In der Regel bestehen moderne Windräder aus Verbundwerkstoffen. Diese Werkstoffe enthalten Glasfaser oder Kohlenstofffaser. In Kombination mit Balsaholz oder Kunststoffschaum als Füllung werden Rotorblätter nach der sogenannten Sandwichbauweise hergestellt. Das Problem: Die Materialien können nur schwer wieder voneinander getrennt werden. Zwar gibt es Recyclingprozesse für Faserverbundwerkstoffe dieser Art – allerdings sind diese äußerst zeitaufwendig und kostspielig. Eine weitere Herausforderung: Windräder bestehen aus massiven, schweren und sperrigen Bauteilen. Die nötigen Schritte – Demontage, Transport zur Recyclinganlage und Zerkleinerung – sind mit großem Aufwand verbunden. Die wenigsten Recyclinganlagen sind auf diese Anforderungen vorbereitet.
Recycling: Forschungsprojekte sollen Rahmenbedingungen schaffen
Die Industrievereinigung RDRWind hat es sich zum Ziel gesetzt, einen nachhaltigen Standard für den Rückbau sowie die Entsorgung von Windenergieanlagen zu entwickeln. Der gemeinnützige Verein hat 2020 die DIN-SPEC 4866 erarbeitet, die Rahmenbedingungen für ein ressourcen- und umweltschonendes Demontieren und Recyceln von Windenergieanlagen festlegt. Eine entsprechende DIN-Norm ist noch in der Erarbeitung.
Ein Forschungsprojekt zeigte bereits einen möglichen Weg für das Recycling der Rotorblätter von alten Anlagen auf: Dabei werden die Flügel der Anlagen zunächst in Teilstücke zersägt. Anschließend werden die Teilstücke in ihre Bestandteile zerlegt – das sind mit Kohlenstofffaser verstärkte Kunststoffe (CFK) und mit Glasfaser verstärkte Kunststoffe (GFK). Für die Hauptbestandteile GFK und CFK haben sich zwei Verwertungswege am Markt etabliert, die Forscher*innen in dem Projekt näher untersucht haben: Das GFK-Material kann unter Beimischung von Papierschlämmen zu einem Ersatzbrennstoff für die Zementindustrie weiterverarbeitet und dort energetisch verwertet werden. Bei CFK-Material ist eine thermische Verwertung aufgrund des hohen Kohlenstoffgehalts nicht möglich. Nur in sehr aufwändigen Pyrolyseverfahren
Als Pyrolyse bezeichnet man eine thermo-chemische Spaltung organischer Verbindungen, für die sehr hohe Temperaturen notwendig sind.
Nachhaltig: Recycelbare Alternativen finden
Im Sinne einer effizienten Kreislaufwirtschaft wäre es optimal, wenn Anlagenbauer Windkraftanlagen künftig von vornherein so konstruieren würden, dass sie sich bei einem späteren Rückbau wieder effizient in ihre Bestandteile zerlegen lassen. Praxistests mit Rotorblättern, die einfacher recycelbar sind, laufen bei ersten Herstellern bereits. Vor allem beim eingesetzten Verbundstoff sind neue Materialien denkbar.
Rotorblätter aus Hanf
Optimal im Sinne einer effizienten Kreislaufwirtschaft wäre es ohne Zweifel, wenn Anlagenbauer Windkraftanlagen künftig von vornherein so konstruieren würden, dass sie sich bei einem späteren Rückbau wieder effizient in ihre Bestandteile zerlegen lassen – Praxistests mit Rotorblättern, die einfacher recyclebar sind, laufen bei ersten Herstellern bereits. Vor allem beim eingesetzten Verbundstoff sind neue Materialien denkbar: So arbeiten Forscher*innen derzeit auch etwa an der Entwicklung eines biobasierten Leichtbauwerksstoffs aus Hanffasern und Hanfsamenöl für den Bau von Rotorblättern.
Ist bei Windkraftanlagen ein wirtschaftlich sinnvoller und aus Umweltsicht nachhaltiger Rückbau nach einigen Jahrzehnten künftig bereits bei der Konstruktion von Anlagen eingeplant, wird aus Repowering in Zukunft eine noch rundere Sache – und die Windkraftindustrie sowie Anlagenbetreiber erfüllen das EU-Ziel einer echten Kreislaufwirtschaft.
Wiederverwertbare Rotorblätter
Einige Unternehmen beschäftigen sich bereits mit der Frage, wie Rotorblätter wiederverwertet werden können. Ein Beispiel liefert der Hersteller Siemens Gamesa, der mit seiner Rotorblatttechnologie „RecycableBlade“ das vollständige Recyceln von Rotorblättern ermöglichen will. Die RecycableBlades haben nahezu den gleichen Herstellungsprozess wie herkömmliche Rotorblätter. Allerdings soll statt des Harzes, das bislang verwendet wurde, auf recycelbares Harz zurückgegriffen werden, das mit Hilfe einer milden Säurelösung wieder aufgelöst werden kann. Auf diese Weise können die genutzten Materialen getrennt werden, um sie an anderer Stelle wiederzuverwenden. Die Technologie wurde 2021 und 2022 erfolgreich getestet. Die industrielle Fertigung wurde im Anschluss 2022 aufgenommen. Ziel ist es, bis 2030 die Rotorblätter und bis 2040 die komplette Turbine 100 Prozent recycelbar zu gestalten.
Eine von ACCIONA initiierte Windkraftanlagen-Recyclinganlage „Waste2Fiber“ befindet sich derzeit im Bau und soll Ende 2025 in Betrieb gehen. Die Anlage soll dann eine Verarbeitungskapazität von 6.000 Tonnen Material pro Jahr haben und alle Phasen des Produktionsprozesses abdecken, von der Demontage der Rotorblätter bis hin zur Qualitätskontrolle der Endprodukte.
Upcycling alter Windkraftanlagen
Bis das Ziel, Windkraftanlagen zu 100 Prozent recycelbar zu machen, technisch erreicht ist, stellt sich die Frage, wie die vielen Rotorblätter zurückgebauter Altanlagen möglichst nachhaltig verwertet werden können. Junge Unternehmen aus der Start-up-Szene zeigen vielversprechende Ideen: „Wings for Living“ aus Dresden zersägt Rotorblätter, um daraus stilvolle Garten- und Terrassenmöbel herzustellen. Und „Carbon Cleanup“ zerstückelt die Flügel in mobilen Aufbereitungsanlagen zu kleinen Pellets, die sich als sogenannte „Kurzfasern“ in Spritzgussanlagen oder im 3D-Druck zur Produktion von beispielsweise Möbeln oder Sonnenbrillen verwenden lassen. ACCIONA nutzt stillgelegte Rotorblätter, um daraus Surfbretter zu machen.
Möbel aus Rotorblättern: Jedes Stück ein Unikat
Ein Stück Rotorblatt als Blickfang für den Garten oder die Terrasse – das klingt erst einmal nach einer verrückten Idee. Doch die ansehnlichen Resultate von „Wings for Living“ sprechen für sich: Das junge Unternehmen aus Dresden vertreibt robuste Outdoor-Möbel aus Teilen alter Windradflügel, die wie ausgefallene Designstücke aussehen. Für das einfallsreiche Upcycling „filetiert“ ein derzeit dreiköpfiges Team Rotorblätter aus einem Repowering-Projekt in Mecklenburg-Vorpommern. Dort haben die Flügel bereits 25 Jahre lang gute Dienste geleistet, der zurückgebaute Windpark versorgte rechnerisch rund 1.000 Haushalte mit Strom. Nun landen die Flügel – zersägt in kleine Teile – auf Terrassen und in Gärten, um in ihrem zweiten Leben Eleganz und Behaglichkeit auszustrahlen.
„Carbon Cleanup“ macht Recycling-Pellets aus Rotorblättern
Bei „Carbon Cleanup“ entsteht aus Rotorblättern wieder ein nutzbarer Wertstoff, mit dem sich industriell neue Gegenstände produzieren lassen. Das 2020 gegründete Start-up-Unternehmen aus Linz in Österreich setzt auf mobile Lösungen für das Recyceln von carbonfaserhaltigen Wertstoffen. In transportierbaren Aufbereitungseinheiten sammelt „Carbon Cleanup“ Carbonteile von Flugzeugen oder Windkraftanlagen und behandelt sowie recycelt sie direkt vor Ort. Am Ende spucken die mobilen Recyclinganlagen Pellets aus, die als Recycling-Faser zur Verwendung in Spritzgussanlagen oder für den 3D-Druck dienen können. Über eine dazugehörige Softwarekomponente bilden Gründer Jörg Radanitsch und sein Team die benötigten Logistik- und Qualitätsprozesse für die Wiederaufbereitung ab.
ACCIONA produziert Surfbretter aus Rotorblättern
ACCIONA hat sich mit dem professionellen Surfer Josh Kerr zusammengetan, um die ersten Surfbretter aus ausrangierten Rotorblättern herzustellen. Als Teil von ACCIONA Initiative zur Transformation alter Rotorblätter zu neuen Materialien und Produkten, wurden zehn Prototypen hergestellt. Die handgefertigten Surfbretter haben sogenannte Turbinenschaufelstreifen integriert, die für mehr Stabilität und Flexkontrolle sorgen. Auch die Außenschale wird durch eingearbeitete Partikel der Turbine verstärkt. ACCIONA arbeitet in mehreren Ländern an verschiedenen Initiativen, um den verantwortungsvollen Umgang mit den Materialien seiner Windparks sicherzustellen.