Das erwartet Sie in diesem Artikel
1. Der Ausbau der erneuerbaren Energien
Immer mehr Strom in Deutschland stammt aus erneuerbaren Energien. Ihr Anteil an der Nettostromerzeugung betrug 2024 schon fast 66 Prozent. Fast ein Drittel davon lieferten Windkraftanlagen. Sie alle speisen, dezentral und über ganz Deutschland verteilt, Strom ins Netz. Mal mehr, mal weniger – je nachdem, wie viel Sonne und Wind es gibt. Hinzukommt, dass diese Anlagen meist nicht dort stehen, wo der Strom benötigt wird. Er muss erst vom Norden in den Süden transportiert werden. Es braucht daher sowohl für die Übertragungsnetze in den Süden als auch für das Verteilnetz vor Ort clevere Lösungen, um Übertragungsverluste und steigende Kosten für nötige Ausgleichsmaßnahmen zu minimieren.
2. Der steigende Strombedarf
Durch den zunehmenden Einsatz von Elektroautos, Wärmepumpen und digitalen Technologien wird der Strombedarf steigen. Auch die zunehmende Urbanisierung und der Trend hin zu vernetzen Städten, sogenannten Smart Cities, erfordern leistungsfähigere und intelligentere Netze, um die steigende Nachfrage effizient und nachhaltig zu bedienen. Bis 2045, so eine Prognose des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), wird sich der Strombedarf nahezu verdoppeln: von heute 500 Terrawattstunden (TWh) auf dann 1200 TWh.
Ein stabiles Stromnetz ist die Grundlage für eine zuverlässige Energieversorgung. Dafür ist es wichtig, dass Angebot und Nachfrage jederzeit ausgeglichen sind. Da der Anteil an erneuerbaren Energien aber zunimmt und deren Stromproduktion wetterbedingt schwankt, müssen Netzbetreiber immer öfter eingreifen, um Überlastungen und Spannungsschwankungen zu vermeiden. Dann werden zum Beispiel Windkraftanlagen vom Netz genommen oder Kraftwerke hinzugeschalten. Durch den Netzausbau können Spannungsschwankungen und Ausfälle minimiert werden. Denn ein gut ausgebautes Netz reduziert die Notwendigkeit für teure und ineffiziente Reservekraftwerke, die bei Netzinstabilitäten eingesetzt werden müssen.
Für den Netzausbau sind die Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber verantwortlich. Alle zwei Jahre erstellen sie gemeinsam den Netzentwicklungsplan Strom, der den Ausbaubedarf der Übertragungsnetze definiert. Bei Projekten, die über mehrere Bundesländer hinausgehen oder ins Ausland reichen, übernimmt die Bundesnetzagentur die Rolle der verfahrensführenden Behörde.
In Deutschland gibt es vier Übertragungsnetzbetreiber: Amprion, TenneT, 50Hertz und TransnetBW. Sie betreiben und entwickeln die Stromnetze über weite Distanz, managen das Höchstspannungsnetz (220 kV und 380 kV). Amprion betreut den Westen und Südwesten Deutschlands. TenneT betreibt das Höchstspannungsnetz von der dänischen Grenze bis zu den Alpen. 50Hertz ist für die Stromversorgung im Norden und Osten verantwortlich. Das Netzgebiet der EnBW-Tochter TransnetBW erstreckt sich größtenteils über Baden-Württemberg.
Die Verteilnetzbetreiber sind für die Hoch-, Mittel- und Niederspannungsebenen zuständig. Sie betreiben, warten und optimieren die Energieversorgungsnetze (Strom und Gas) in Städten, Gemeinden und ländlichen Gebieten. Im Gegensatz zu den Übertragungsnetzbetreiber, konzentrieren sie sich auf die Verteilung von Strom in kleinerem Maßstab. Die EnBW-Tochter Netze BW ist mit über 2 Millionen Netzkund*innen der größte Verteilnetzbetreiber in Baden-Württemberg.
Das Bundesministerium für Wirtschaft um Klimaschutz (BMWK) prognostiziert, dass sich der Strombedarf in Deutschland bis 2045 nahezu verdoppeln wird – von heute rund 500 Terrawattstunden (TWh) auf 900 TWh. Das heutige Netz ist nicht auf den erhöhten Strombedarf und die zunehmend dezentrale Energieerzeugung ausgelegt. Der Netzausbau muss daher intensiviert und beschleunigt werden.
Die gute Nachricht: das Problem ist erkannt. Zahlen des BMWK für 2024 zeigen, dass zum Beispiel die Zahl der genehmigten und im Bau befindlichen Netzausbauprojekte im Übertragungsnetz stark gestiegen ist.
Stromnetzausbau im deutschen Übertragungsnetz in km
Auch im Verteilnetz, also in der Hoch-, Mittel- und Niederspannung, braucht es den Netzausbau. Hier ist der Bedarf besonders groß, da das Verteilnetz den größten Part des Stromnetzes darstellt. Allein die Netze BW, Baden-Württembergs größter Verteilnetzbetreiber, plant im aktuellen Netzausbauplan mit rund 2.900 Kilometer Hochspannungstrassen, die aus- sowie 120 Kilometern, die neu gebaut werden müssen. Hinzukommen weitere Maßnahmen für den Aus- und Neubau von Umspannwerken und Ortsnetzstationen sowie tausende Kilometer Leitungen in der Mittelspannung. Und die Netze BW ist nur einer von hunderten regionalen Verteilnetzbetreibern in Deutschland.
Was kostet der Netzausbau?
Die Kosten für den Netzausbau werden im Netzentwicklungsplan regelmäßig geschätzt und basieren auf den Durchschnittskosten für den Bau von Freileitungen und Erdkabeln sowie den geplanten Leitungslängen. Allein für den Ausbau des Verteilnetzes, rechnet die Bundesnetzagentur mit Investitionen von mehr als 42 Milliarden Euro bis 2032.
Die Kosten für den Netzausbau werden über die Netzentgelte an Haushalte und Unternehmen weitergegeben. Die Netzentgelte decken die Kosten für Wartung, Ausbau und Modernisierung der Netze und werden von der Bundesnetzagentur geprüft. Netzbetreiber stellen diese Kosten den Versorgungsunternehmen in Rechnung. Die Versorgungsunternehmen geben die Netzentgelte über den Strompreis an die Verbraucher*innen weiter.
Der Netzausbau in Deutschland ist ein mehrstufiger Prozess:
- Die Planung beginnt mit dem Szenariorahmen, der von den Übertragungsnetzbetreibern entworfen wird und einen Ausblick auf die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre bietet.
- Auf dieser Grundlage wird der Netzentwicklungsplan erstellt, der notwendige Maßnahmen für eine sichere Stromversorgung festhält und von der Bundesnetzagentur überprüft wird.
- Der Netzentwicklungsplan bildet die Grundlagen für den Bundesbedarfsplan. Der Bundesbedarfsplan listet die Anfangs- und Endpunkte der notwendigen Leitungen auf, während die Bundesfachplanung Trassenkorridore für Leitungen durch mehrere Bundesländer oder ins Ausland bestimmt.
- Der Planfeststellungsbeschluss (Baugenehmigung) legt schließlich den genauen Verlauf der Trassen fest. Diese Schritte werden kontinuierlich wiederholt und der Netzentwicklungsplan alle vier Jahre der Bundesregierung übermittelt, um Anpassungen vorzunehmen.
Die rechtliche Grundlage für den Netzausbau liefern diese Gesetze:
Das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) trat 2013 in Kraft und legt den Bedarf sowie die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für den Ausbau der Übertragungsnetze fest. Es enthält den Bundesbedarfsplan, der auf Grundlage des Netzentwicklungsplans die wichtigsten Ausbauvorhaben identifiziert, die für die Energiewende erforderlich sind.
Das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG)
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) bildet den rechtlichen Rahmen für die Energiewirtschaft in Deutschland, einschließlich der Erzeugung, Verteilung und Versorgung mit Strom und Gas. Es stellt sicher, dass die Planung des Netzausbaus transparent und koordiniert erfolgt, um die Anforderungen des deutschen Höchstspannungsnetzes zu erfüllen. Der Netzausbaubedarf wird durch ein mehrstufiges Verfahren ermittelt, das unterschiedliche Szenarien und Bedarfe berücksichtigt. Ziel ist es, eine sichere und zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten, indem die Netze kontinuierlich den aktuellen Erfordernissen angepasst werden.
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
Das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG), beschlossen im Jahr 2011, erleichtert die Planung und Genehmigung von Netzausbauprojekten, die mehrere Bundesländer betreffen oder grenzüberschreitend sind. Eine 2019 beschlossene Novelle zielt darauf ab, Genehmigungsverfahren weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen, während Umweltstandards gewahrt bleiben und die öffentliche Beteiligung gesichert ist.
Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG)
d) Das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) wurde 2009 eingeführt, um den dringenden Ausbau des Übertragungsnetzes gesetzlich zu verankern und zu beschleunigen. Es legte erstmals den vordringlichen Bedarf für den Ausbau der Übertragungsleitungen fest, um die Energiewende voranzutreiben. Das Gesetz definiert konkrete Netzausbauprojekte, die in der Zuständigkeit der Bundesländer genehmigt werden und für den weiteren Netzausbau maßgeblich sind.
Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG)
Am Beispiel des Hochspannungsausbau zeigt sich, wie kompliziert der Netzausbau ist. Eine neue Freileitung mit mehreren Freileitungsmasten oder ein neues Umspannwerk, sind mit einem erheblichen Planungs- und Genehmigungsaufwand verbunden. Dabei wird sehr detailliert und sorgfältig vorgegangen, um sicherzustellen, dass alle Vorgaben eingehalten werden. Zudem gestaltet sich die Grundstückssuche für Umspannwerke und die Trassenfindung für Freileitungen häufig schwierig.
Der Netzausbau ist kein Sprint, sondern ein Marathon
Neben diesem hohen Zeitaufwand im Vorfeld der Realisierung des Projektes stehen bei der Umsetzung von Baumaßnahmen weitere Herausforderungen an. Hier spielt vor allem die Materialknappheit und damit verbundene lange Lieferzeiten und der Fachkräftemangel eine Rolle. Der erforderliche Ausbau ist so umfangreich, dass er nicht auf einmal gelingen kann und daher gestaffelt angegangen wird.
Der Netzausbau ist für die Zukunft der Energieversorgung entscheidend, da er eine stabile und nachhaltige Stromversorgung sicherstellt. Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten, ist die Einbindung der Bürger*innen in vom Ausbau betroffener Kommunen von großer Bedeutung. Daher setzen die zuständigen Ministerien, Behörden und Netzbetreiber auf umfassende Information und den frühzeitigen Dialog mit den Betroffenen – von der Bedarfsermittlung bis zu den Planungs- und Genehmigungsverfahren. Diese transparente Vorgehensweise stellt sicher, dass die Anliegen der Bürgerinnen berücksichtigt werden und gemeinsam Lösungen für den Netzausbau gefunden werden.
Stromspeicher sind die geheimen Superhelden des Netzausbau. Sie speichern überschüssige Energie aus erneuerbaren Energien, die während Zeiten hoher Produktion anfällt, statt sie direkt ins Netz einzuspeisen und es so zu überlasten. Steigt der Strombedarf, geben Batteriespeicher den Strom ins Netz ab und helfen es so zu stabilisieren. Durch diese Fähigkeit tragen Stromspeicher maßgeblich zu einer stabileren und zuverlässigeren Stromversorgung bei.