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Stromnetz: Wofür sind Leitstellen notwendig?

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Mit Redispatches sichert die Leitstelle Nord bei Bedarf das Gleichgewicht im Stromnetz. (Quelle: Netze BW)

Stefan Bauer schaut abwechselnd auf einen seiner sechs Monitore und die große Rückprojektionswand vor ihm. In der Heilbronner Leitstelle Nord des Verteilnetzbetreibers (VNB) Netze BW überwacht und steuert der Operator mit sechs weiteren Kollegen das rund 10.880 Kilometer lange Mittelspannungsnetz, das sich über die Regionen Nordbaden, Neckar-Franken und Rheinhausen erstreckt und etwa eine Million Netzkund*innen mit Strom versorgt. Auf der großflächigen Projektionswand der Mittelleitstelle ist ein detaillierter Netzplan des gesamten Stromnetzes zu sehen, der alle Umspannwerke, Leitungen und Schaltanlagen schematisch darstellt. Eingeblendete Echtzeitdaten zu Stromflüssen, Spannungen und Stromstärken an verschiedenen Netzpunkten spiegeln kontinuierlich den jeweils aktuellen Zustand des Netzes wider.

Insbesondere dann, wenn Windenergie- und Solaranlagen witterungsbedingt viel Strom einspeisen, muss das Team der Leitstelle ein spezielles Augenmerk auf die Lastflüsse legen, um Überlastungen zu vermeiden und die Netzstabilität zu gewährleisten. Dies erfordert eine ständige Überwachung der Einspeisung und des Verbrauchs. Bei hohem Wind- und Solarstromaufkommen müssen Bauer und seine Kollegen möglicherweise kurzfristig größere Anlagen herunterfahren oder Lasten verschieben, um das Netz stabil zu halten. Diese Eingriffe in das Stromnetz, bei denen Kraftwerke gezielt ihre Einspeisemengen anpassen, nennen sich Redispatch. Bei zu geringer Stromeinspeisung müssen sie dagegen in Abstimmung mit den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) sogenannte Regelenergie zukaufen oder Reservekraftwerke für die Erzeugung sogenannter Regelenergie aktivieren.

Was ist der Redispatch?

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Der Redispatch ist ein wesentliches Instrument, das Verteilnetzbetreiber (VNB) und Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) nutzen, um die Stabilität im Stromnetz zu wahren. Ähnlich dem sogenannten Einspeisemanagement handelt es sich um eine spezifische Maßnahme innerhalb des Engpassmanagements zur Vermeidung von Netzinstabilitäten. Der klassische Redispatch konzentriert sich auf Eingriffe in die Stromproduktion größerer Anlagen ab 100 Megawatt (MW) Leistung.

Vor allem die zunehmende Einspeisung aus volatilen, also schwankenden, erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik, macht Eingriffe immer öfter notwendig. Wenn etwa witterungsbedingt viel Strom aus Wind- oder Solaranlagen zur Verfügung steht, der Bedarf aber nicht im gleichen Maße steigt, drohen in bestimmten Netzbereichen Überlastungen, da die Leitungen nicht für unbegrenzte Strommengen ausgelegt sind.

In solchen Fällen greifen Operatoren wie Stefan Bauer und seine Kollegen von der Leitstelle Nord auf den Redispatch zurück, um Lastspitzen abzufedern und das Stromnetz zu entlasten, bevor Überlastungen zu Stromausfällen führen können. Dabei geht es meist darum, dass einzelne Kraftwerke oder Anlagen, die zu viel Strom ins Netz speisen, ihre Leistung reduzieren, während in anderen Regionen vielleicht zusätzliche Kraftwerke hochgefahren werden müssen. Ziel der Eingriffe ist es, Überlastungen und Engpässe zu vermeiden, indem Ströme im Netz umverteilt werden.

Was kostet der Redispatch?

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Die Kosten für einen Redispatch entstehen zum einen durch die Vergütung entgangener Einnahmen von Betreibern erneuerbarer Energieanlagen, deren Einspeisung zur Netzstabilisierung bei Überproduktion gedrosselt wird. Zum anderen werden bei drohender Unterversorgung zusätzlich konventionelle Reservekraftwerke kurzfristig hochgefahren, um den Bedarf mit Regelenergie zu decken, was ebenfalls zu Kosten führt. Diese Kosten setzen sich aus den Brennstoff- und Betriebskosten der Kraftwerke sowie den logistischen und administrativen Aufwendungen für die Koordination der Maßnahmen zusammen. Zu den finanziellen Aufwänden für einen Redispatch kommen beim Netzengpassmanagement zudem Kosten für Countertrading und Netzreserve hinzu: Countertrading beschreibt den grenzüberschreitenden Stromhandel, um Versorgungsdefizite auszugleichen, während Netzreserve die Vorhaltung von zusätzlicher Kraftwerksleistung bedeutet, die bei Stromknappheit kurzfristig aktiviert werden kann.

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Quelle: Bundesnetzagentur

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Im Jahr 2023 sind die Aufwendungen für das Netzengpassmanagement in Deutschland auf rund 3,2 Milliarden Euro gesunken, was einem Rückgang von rund einer Milliarde Euro im Vergleich zu 2022 entspricht. Der Rückgang ist jedoch hauptsächlich auf gesunkene Brennstoff- und Großhandelspreise zurückzuführen, denn das Volumen der Redispatch-Maßnahmen hat sich 2023 vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Energien um zwölf Prozent auf 27.133 Gigawattstunden (GWh) erhöht.

Langfristig sollen die Kosten für Eingriffe per Redispatch vor allem durch den Netzausbau und eine optimierte Steuerung der Stromerzeugung sinken.

Macht der Netzausbau Redispatch-Maßnahmen überflüssig?

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Im Wesentlichen verhindert ein Redispatch, dass sich lokale Netzprobleme ausweiten und das gesamte Stromsystem in Mitleidenschaft ziehen. Dadurch bleibt die Stromversorgung auch in kritischen Situationen gesichert und die Gefahr von großflächigen Stromausfällen sinkt. Je umfassender das Stromnetz erweitert wird, desto weniger oft sind Eingriffe per Redispatch notwendig. Insbesondere durch die Verstärkung von Übertragungsnetzen und den Ausbau von Verbindungen zwischen Regionen mit hoher Erzeugung und hoher Nachfrage, lassen sich Engpässe im Netz verringern und der Stromfluss besser steuern. Je schneller sich beispielsweise Strom aus großen Wind- und Solarparks jeweils dorthin transportieren lässt, wo viel Strom benötigt wird, desto seltener müssen hier Reservekraftwerke bei Spitzenlasten einspringen. Dies reduziert die Notwendigkeit von Redispatch-Maßnahmen.

Regionale Netzbetreiber machen deshalb ihr Stromnetz fit für die Energiewende und bauen es massiv aus. Allerdings können kurzfristige Schwankungen in der Stromerzeugung und plötzliche Verbrauchsspitzen auch bei ausgebauter Netzinfrastruktur immer noch Redispatch-Maßnahmen erfordern. Vor allem der massive Zubau kleinerer Erzeugungsanlagen stellt Netzbetreiber weiterhin vor große Herausforderungen. Doch der Gesetzgeber hat darauf reagiert und den Redispatch 2.0 beschlossen.

Was ändert sich durch den Redispatch 2.0?

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Um Netzengpässe im Zuge des Ausbau erneuerbarer Energien noch effizienter und umfassender managen zu können, hat die deutsche Bundesnetzagentur (BNetzA) in Zusammenarbeit mit den Übertragungsnetzbetreibern und Verteilnetzbetreibern im Oktober 2021 den sogenannten Redispatch 2.0 eingeführt: Während beim klassischen Redispatch bislang lediglich größere Kraftwerke und Erzeugungsanlagen zur Netzstabilisierung herangezogen wurden, bezieht der Redispatch 2.0 nun auch kleinere dezentrale Anlagen wie Windparks, Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher ab einer installierten Leistung von 100 kW (Kilowatt) in das Netzmanagement ein. Das erhöht die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit des Systems.

Gleichzeitig nutzen Verteilnetzbetreiber wie die Netze BW zunehmend Künstliche Intelligenz (KI), um Netzinstabilitäten zu verhindern. So gelingt es etwa bereits heute, den Zustand eines regionalen Netzes möglichst genau aus real gemessenen Daten und per KI geschätzten Werten abzubilden. Wie ein „Stromnetz-Radar“ hat der Computer Input und Output im Blick und gibt bei drohenden Leistungsengpässen bis zu sieben Tage im Voraus Handlungsempfehlungen. Möglich wird der Blick in die Zukunft durch intelligente Algorithmen, die Wettereinflüsse und die resultierende schwankende Netzeinspeisung aus erneuerbaren Energieanlagen miteinbeziehen.

Haben Eingriffe der Netzbetreiber Auswirkungen auf Verbraucher*innen?

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Betreiber*innen von Wärmepumpen oder Ladestation für E-Mobilität sollen davon profitieren, wenn sie Strom flexibel nutzen. (Quelle: SENEC)

Ein künftig möglicherweise entscheidender Schritt, das Stromnetz im Zuge der Energiewende zu stabilisieren, ist die Einführung des § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zum 1. Januar 2024. Der neue Paragraf sieht vor, dass Betreiber:innen neu installierter Wärmepumpen, Ladestationen für Elektroautos und Batteriespeicher dafür belohnt werden, wenn sie Energie flexibler verbrauchen. Durch neue Steuergeräte und Messsysteme soll es möglich sein, dass Netzbetreiber die Verbrauchsgeräte automatisch herunter- oder hochfahren, um Erzeugung und Verbrauch im Stromnetz besser miteinander in Einklang zu bringen. Ziel ist es, die Netzstabilität sicherzustellen und die Flexibilität im Stromnetz zu erhöhen, um so den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben.

Für Verbraucher*innen soll es sich nach dem neuen Gesetz über dynamische Stromtarife finanziell lohnen, wenn sie Strom aus erneuerbaren Energien vor allem dann nutzen, wenn er im Überfluss vorhanden ist – etwa bei starkem Sonnenschein oder kräftigem Wind. Dadurch wird das Netz effizienter genutzt, der Bedarf an Redispatch-Maßnahmen verringert sich. Insbesondere der weitgehende Verzicht auf kurzfristig eingesetzte Reservekraftwerke verringert die Kosten der Energiewende und entlastet langfristig alle Verbraucher*innen.

Mit dem neuen Gesetz reagiert die Bundesregierung auf die wachsenden Herausforderungen einer zunehmend dezentralen und erneuerbaren Energieversorgung. Es gilt verpflichtend für alle steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, die nach dem 31. Dezember 2023 installiert werden. Für bereits bestehende Anlagen bleibt die Teilnahme bis Ende 2028 freiwillig.

Technische Voraussetzung für die Steuerung von Verbrauchseinrichtungen ist die Installation von intelligenten Messsystemen. Gemeint sind damit digitale Stromzähler (Smart Meter) in Kombination mit einer Steuereinheit, die es dem Verteilnetzbetreiber nach § 14a ermöglicht, die Leistung von Geräten wie Wärmepumpen oder Ladestationen je nach Bedarf im Stromnetz zu verringern oder zu erhöhen.

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